Rund
120 Bürger*innen waren am 28. Februar 2020 einer Einladung der VHS
Ennepe-Ruhr-Süd gefolgt, um einem Vortrag von Altbundespräsident
Christian Wulff zum Thema „Perspektiven für eine vielfältige
Gesellschaft“ beizuwohnen.
Welche Entwicklungen nimmt die Welt im
Ganzen und nehmen Gesellschaften im Innern in Zeiten von
Digitalisierung und Globalisierung? Und was macht das mit dem
Einzelnen, der Gesellschaft und einer eventuell bestehenden
internationalen Ordnung? Und wie wird unsere Gesellschaft
zukunftsfest gestaltet werden können, um auch das Überleben der
liberalen Demokratie zu sichern?
Bevor all diese Fragen eine Antwort
bekamen, begrüßte zunächst einmal die stellver-tretende
Bürgermeisterin Sonja Dehn die Gäste. Unter
ihnen Landrat Olaf Schade, Gerd
Vollmerhaus, Vorsitzender der Verbandsversammlung der VHS, Stefan
Biederbick (stellv. Bürgermeister der Stadt Gevelsberg), der
Bürgermeister der Hansestadt Breckerfeld André Dahlhaus und sein
Vorgänger Klaus Baumann sowie der Vorsitzende des SPD-Stadtverbands
Helge Mannott. Sie hob noch einmal hervor, das Gevelsberg eine Stadt
sei, tolerant mit vielen Farben und Lebensstilen. Und ein solch
friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und
Kulturen müsse man auch in Zukunft bewahren und fördern. „Was
zweifelsohne eine wichtige Aufgabe der Politik und der Bürgerschaft
ist.“
Starke und prägnante Worte
Bundespräsident
a.D. Christian Wulff verstand es im Anschluss als überzeugender,
souveräner Redner, Probleme beim Namen zu nennen und dennoch
Optimismus zu verbreiten. „Ich mache mir Sorgen um unsere
Demokratie“, sagt Wulff. Die jetzige Generation habe eine besonders
große Aufgabe. Nach Wiederaufbau und Wiedervereinigung gehe es nun
in erster Linie darum, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern.
Zwar seien die objektiven Zahlen so gut wie nie zuvor, „aber die
Stimmung ist mieser als je zuvor“. Daher lohne es, sich vor Augen
zu führen, „was uns zusammenhält“, sagte Wulff und zählt
Sprache und Grundgesetz, Bildung und Ehrenamt, aber auch die
„Vereinsmeierei“ auf. „Vereine sind bedeutend für den
Zusammenhalt, für Integration und Glück.“
Als
die große Herausforderung in einer Zeit der Extreme bezeichnete
Christian Wulff die Sicherung der menschlichen Gemeinschaft für ein
friedliches Zusammenleben. „Menschen und Politik müssen extrem
innovativ sein.“ Denn das Internet, Twitter und Facebook – also
die sozialen Medien - haben mittlerweile die Welt verändert. Jeder
könne mitwirken, so appellierte er, seine Meinung kundzutun, denn
„auch die dusseligsten Ideen werden verbreitet und finden ihre
Anhänger“. Nur leider gehen „Respekt, Einfühlungsvermögen und
Empathie dabei verloren.“ Es gebe menschenverachtende, spaltende,
hasserfüllte Beiträge, und „niemand kann eingreifen oder
dazwischengehen“, betonte der Christdemokrat und erinnerte in
diesem Zusammenhang an den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten
Walter Lübcke im Juni 2019. „Wir müssen uns viel mehr vor dem
Hass hüten, denn Hass zerfrisst unsere Gesellschaft von innen.“
Ein neuer Zusammenhalt in der Gesellschaft ist nur dann möglich,
wenn sich kein Stärkerer entzieht und kein Schwächerer ausgegrenzt
wird. Wenn jeder in Verantwortung genommen wird und jeder
verantwortlich sein kann.
Man
müsste verhindern, dass der rechte oder linke Rand die
gesellschaftliche Mitte zerstöre. „Wir müssen Zivilcourage
zeige“, widersprechen und am besten zum Sechs-Augen-Prinzip
übergehen, sagte der Altbundespräsident und verglich dies mit dem
Videobeweis im Fußball. Die Bürger müssten sich klar machen, dass
Deutschland durch Vielfalt groß geworden ist. Und einer
multikulturellen Gesellschaft gehöre daher auch die Zukunft.
Nachdrücklich appelliert er, die „zukunftspessimistische Ader“
beiseite zu lassen. „Zukunft und Zuversicht stünden uns gut an.
Ebenso wie Zusammenhalt und Respekt. Hieß es früher: „Wir
schaffen das“, so würden diese Worte heutzutage nur noch gehaucht.
Viel
Applaus für einen gelungenen Vortrag, eine sich daran anschließende
Diskussionsrunde und der Eintag ins Goldene Buch der Stadt ließen
diese Veranstaltung, die gefördert wurde vom Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms
„Demokratie leben!“, zu einer ganz besonderen werden. Die VHS
wurde zu einem Ort der Integration, ein Ort an dem Generationen und
unterschiedliche Kulturen zusammenkamen und wo man ein Zeichen für
lebendige und gelebte Demokratie setzte. André Sicks
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