Freitag, 6. März 2020

Es gilt die Vielfalt zu schätzen und den Zusammenhalt zu fördern - Altbundespräsident Christian Wulff war zu Gast in Gevelsberg


Rund 120 Bürger*innen waren am 28. Februar 2020 einer Einladung der VHS Ennepe-Ruhr-Süd gefolgt, um einem Vortrag von Altbundespräsident Christian Wulff zum Thema „Perspektiven für eine vielfältige Gesellschaft“ beizuwohnen.
Welche Entwicklungen nimmt die Welt im Ganzen und nehmen Gesellschaften im Innern in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung? Und was macht das mit dem Einzelnen, der Gesellschaft und einer eventuell bestehenden internationalen Ordnung? Und wie wird unsere Gesellschaft zukunftsfest gestaltet werden können, um auch das Überleben der liberalen Demokratie zu sichern?
Bevor all diese Fragen eine Antwort bekamen, begrüßte zunächst einmal die stellver-tretende Bürgermeisterin Sonja Dehn die Gäste.
Unter ihnen Landrat Olaf Schade, Gerd Vollmerhaus, Vorsitzender der Verbandsversammlung der VHS, Stefan Biederbick (stellv. Bürgermeister der Stadt Gevelsberg), der Bürgermeister der Hansestadt Breckerfeld André Dahlhaus und sein Vorgänger Klaus Baumann sowie der Vorsitzende des SPD-Stadtverbands Helge Mannott. Sie hob noch einmal hervor, das Gevelsberg eine Stadt sei, tolerant mit vielen Farben und Lebensstilen. Und ein solch friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen müsse man auch in Zukunft bewahren und fördern. „Was zweifelsohne eine wichtige Aufgabe der Politik und der Bürgerschaft ist.“ 

Starke und prägnante Worte 
Bundespräsident a.D. Christian Wulff verstand es im Anschluss als überzeugender, souveräner Redner, Probleme beim Namen zu nennen und dennoch Optimismus zu verbreiten. „Ich mache mir Sorgen um unsere Demokratie“, sagt Wulff. Die jetzige Generation habe eine besonders große Aufgabe. Nach Wiederaufbau und Wiedervereinigung gehe es nun in erster Linie darum, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern. Zwar seien die objektiven Zahlen so gut wie nie zuvor, „aber die Stimmung ist mieser als je zuvor“. Daher lohne es, sich vor Augen zu führen, „was uns zusammenhält“, sagte Wulff und zählt Sprache und Grundgesetz, Bildung und Ehrenamt, aber auch die „Vereinsmeierei“ auf. „Vereine sind bedeutend für den Zusammenhalt, für Integration und Glück.“ 
Als die große Herausforderung in einer Zeit der Extreme bezeichnete Christian Wulff die Sicherung der menschlichen Gemeinschaft für ein friedliches Zusammenleben. „Menschen und Politik müssen extrem innovativ sein.“ Denn das Internet, Twitter und Facebook – also die sozialen Medien - haben mittlerweile die Welt verändert. Jeder könne mitwirken, so appellierte er, seine Meinung kundzutun, denn „auch die dusseligsten Ideen werden verbreitet und finden ihre Anhänger“. Nur leider gehen „Respekt, Einfühlungsvermögen und Empathie dabei verloren.“ Es gebe menschenverachtende, spaltende, hasserfüllte Beiträge, und „niemand kann eingreifen oder dazwischengehen“, betonte der Christdemokrat und erinnerte in diesem Zusammenhang an den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019. „Wir müssen uns viel mehr vor dem Hass hüten, denn Hass zerfrisst unsere Gesellschaft von innen.“ Ein neuer Zusammenhalt in der Gesellschaft ist nur dann möglich, wenn sich kein Stärkerer entzieht und kein Schwächerer ausgegrenzt wird. Wenn jeder in Verantwortung genommen wird und jeder verantwortlich sein kann. 
Man müsste verhindern, dass der rechte oder linke Rand die gesellschaftliche Mitte zerstöre. „Wir müssen Zivilcourage zeige“, widersprechen und am besten zum Sechs-Augen-Prinzip übergehen, sagte der Altbundespräsident und verglich dies mit dem Videobeweis im Fußball. Die Bürger müssten sich klar machen, dass Deutschland durch Vielfalt groß geworden ist. Und einer multikulturellen Gesellschaft gehöre daher auch die Zukunft. Nachdrücklich appelliert er, die „zukunftspessimistische Ader“ beiseite zu lassen. „Zukunft und Zuversicht stünden uns gut an. Ebenso wie Zusammenhalt und Respekt. Hieß es früher: „Wir schaffen das“, so würden diese Worte heutzutage nur noch gehaucht. 
Viel Applaus für einen gelungenen Vortrag, eine sich daran anschließende Diskussionsrunde und der Eintag ins Goldene Buch der Stadt ließen diese Veranstaltung, die gefördert wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, zu einer ganz besonderen werden. Die VHS wurde zu einem Ort der Integration, ein Ort an dem Generationen und unterschiedliche Kulturen zusammenkamen und wo man ein Zeichen für lebendige und gelebte Demokratie setzte. André Sicks


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