Donnerstag, 19. März 2020

Bürgermeister Claus Jacobi wendet sich an alle Gevelsbergerinnen und Gevelsberger

Liebe Gevelsbergerinnen und Gevelsberger,
das neuartige Corona-Virus und die daraus erwachsene Krise überschatten in den letzten Wochen unser ganzes Zusammenleben, all unser Handeln und Denken. Auch in unserer Stadt gilt nun: Nie zuvor seit dem zweiten Weltkrieg hat sich die soziale Wirklichkeit so massiv und rasant verändert wie in den letzten Tagen. Und noch zu Beginn des Jahres hätte sich niemand vorstellen können, unter welchen Herausforderungen wir heute stehen und uns als Zivilgesellschaft organisieren und bewähren müssen. 

Von der reinen Faktenlage scheint zunächst vieles klar zu sein. „Flatten the curve – die Kurve abflachen“ – heißt das schon hundertfach in den Medien erklärte Prinzip, das darauf abzielt, die Infektionsketten schnellstmöglich und wirksam zu durchbrechen. Was aber als wissenschaftliches Prinzip einfach klingt, stellt uns im Alltag unseres Zusammenlebens vor ungeahnte Schwierigkeiten. Und so steht eben auch in unserer Heimatstadt Gevelsberg das Meiste still: 
Kinder dürfen nicht in die Schule oder in die KiTa gehen, viele von Ihnen können nicht zur Arbeit kommen, städtische Einrichtungen sind geschlossen, es finden keine Veranstaltungen mehr statt. In den vergangenen Tagen haben sich die Ereignisse und Maßnahmen, die zu treffen sind, um das Virus einzudämmen, nochmals überschlagen. Seit heute ist ein Großteil unserer Gevelsberger Geschäfte geschlossen und zu der Angst vor dem Virus kommt jetzt bei vielen noch die nackte Angst um die eigene wirtschaftliche Existenz hinzu. 

Es schmerzt mich sehr, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, dass ich als Ihr Bürgermeister in den letzten Tagen Dinge auf den Weg bringen musste, die zur Gesundheitsprävention zwar unerlässlich sind, in ihren wirtschaftlichen und persönlichen Auswirkungen aber so vielen von Ihnen existentielle Sorgen und Nöte bereiten. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass wir in Gevelsberg, unserer florierenden, liebenswerten und solidarischen Stadt, einmal mit solch drastischen und schmerzhaften Maßnahmen konfrontiert sein würden. Diese Situation verlangt uns allen vieles ab, Sorgen und Fragen bestimmen in diesen Tagen die Gedanken von uns allen. 

Am meisten be-drückt mich, dass wir auf persönliche Kontakte und Nä-he, die uns an sich ja Halt und Trost geben würden, in dieser Krise umso mehr verzichten müssen. Denn unser Ziel ist es ja, die Kurve der Neu-Erkrankungen in den kommenden Wochen möglichst flach zu halten. Und darum appelliere ich heute bei aller Sehnsucht nach Nähe umso eindringlicher an Sie alle, einen jeden einzelnen und eine jede einzelne von Ihnen: Halten Sie im körperlichen Umgang mit ihren Lieben und Freunden die bekannten Vorsichtsregeln umso konsequenter ein, je mehr Ihnen diese am Herzen liegen! Und bitte verzichten Sie gänzlich auf jeden möglichen vermeidbaren Kontakt in unserer Gesellschaft, es ist ein unverzichtbarer Dienst, den Sie Ihrem Land und Ihrer Stadt in diesen Tagen leisten können

Am allermeisten denken Sie in diesen Tagen aber bitte an diejenigen in unserer Stadt, die an einer Vorerkrankung leiden oder ein geschwächtes Immunsystem haben. Für sie wäre das Virus in jeder Begegnung lebensgefährlich und die Wahrscheinlichkeit, eine Behandlung in einem unserer ohnehin schon strapazierten Krankenhäuser zu erfahren, fast unausweichlich. Denken Sie immer daran, dass jeder dieser Menschen in erster Linie eben nicht nur „Mitglied einer Risikogruppe“ ist, sondern vor allem Oma oder Opa, Mutter oder Vater, Onkel, Tante, Partnerin oder Partner, Nachbarin oder Nachbar, Freundin oder Freund. Für sie als Mitmenschen müssen wir im Moment alles daran setzen, die Risiken einer Ansteckung zu minimieren. 

Deshalb bitte ich Sie unbedingt auch: Denken Sie an alle nötigen Hygienemaßnahmen, halten Sie Abstand voneinander, vermeiden Sie unnötige Kontakte, bleiben Sie möglichst zuhause, bleiben Sie unter sich! Denn damit schützen Sie in dieser so besonderen Situation nicht nur sich selbst, sondern eben auch andere und zeigen damit Solidarität und Verantwortung. 

Wir Gevelsbergerinnen und Gevelsberger sind für unsere Geselligkeit bekannt. Bei unzähligen Veranstaltungen im Jahr kommen wir zusammen, feiern, haben eine gute Zeit miteinander. All dies ist uns momentan nicht möglich. Aber: Lassen Sie uns unsere Geselligkeit in diesen Tagen durch Fürsorge ersetzen: Und Fürsorge bedeutet derzeit: Abstand zueinander! 
Sie helfen damit auch den vielen Menschen in Arztpraxen, Krankenhäusern, Pflegeheimen, in Krisenstäben, bei Feuerwehr und Polizei - all diese Menschen erbringen derzeit Höchst-leistungen und versuchen, diese Krise so gut es geht zu überwinden. Wenn es uns gelingt, die Zahl der Erkrankungen über einen möglichst langen Zeitraum zu strecken, dann wird unser Gesundheitssystem sie meistern können. Helfen Sie dabei, der Wissenschaft die notwendige Zeit zur Forschung an einem Medikament sowie eines Impfstoffes zu geben, ohne dass dabei unser Gesundheitssystem aufgrund zu vieler Ansteckungen kollabiert. 

Die kommenden Wochen werden unsere Stadtgesellschaft fordern, sie werden jedem Einzelnen viel abverlangen und sie werden Verzicht bedeuten. 
Bieten Sie, wenn es Ihnen möglich ist, älteren Nachbarn an, deren Einkäufe zu übernehmen - unter Einhaltung aller gebotenen Schutzmaßnahmen versteht sich – und bleiben Sie, vor allem auch bei Ihrem eigenen Einkauf eines: Rücksichtsvoll! Wir leben in einer Gesellschaft, in der leere Regale innerhalb eines einzigen Tages wieder aufgefüllt werden können. Wer in diesen Tagen an einer Supermarktkasse sitzt oder Regale befüllt, macht derzeit einen der wichtigsten Jobs, die es gibt. Dank dieser Berufsgruppe haben wir die Möglichkeit, jeden Tag auf eine Vielzahl an Lebensmittel zurückgreifen zu dürfen. Daher denken Sie bitte daran: Kaufen Sie in Maßen und danken Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort tagtäglich für uns einen super Job leisten – Solidarität zeigt sich eben auch an dieser Stelle. 

Mir ist bewusst, dass die jetzige Krise und die damit verbun-denen Maßnahmen für die Wirtschaft, für große wie kleine Unternehmen, für Geschäfte, Cafés, Restaurants und Freiberufler eine sehr, sehr schwere Zeit darstellt. Und die nächsten Wochen werden vermutlich noch schwerer. Denken Sie deshalb bei aller Sorge um die eigenen Fragen immer auch an die Geschäftstreibenden in unserer Stadt, die unsere liebenswerte Einkaufsstadt und City in den letzten Jahren zu dem gemacht haben, was sie ist. Kaufen Sie jetzt nicht gleich alles online ein, was noch ein paar Wochen Aufschub haben könnte und lassen Sie uns nach der Krise jeden Tag daran denken, dass fast alles, was man persönlich braucht, auch in Gevelsberg zu kaufen ist. Vergessen wir nicht: Jede und jeder Geschäftstreibende, der gestern sein Ladenlokal schließen musste, erbringt ein hartes persönliches Opfer für unsere Gesellschaft, für das ihm demütiger Dank gebührt. Dieses Opfer darf nach der Krise nicht vergessen sein! 

Liebe Gevelsbergerinnen und Gevelsberger, 
die Lage ist wirklich ernst. Niemand darf die Gefahren einer Pandemie jetzt klein reden. Und doch liegt es an uns, wie wir mit der Corona-Krise umgehen. Nehmen wir die Herausforderung an und setzen wir entschiedenes Tun an die Stelle von Schicksalsergebenheit. Lassen wir uns nicht von Unsicherheit und Verzagtheit leiten, sondern von Entschlossenheit und Mut. Seien wir vernünftig, achtsam mit uns selbst und aufmerksam gegenüber unserem Nächsten. Und besinnen wir uns auf das, was uns in Gevelsberg seit jeher prägt und stark macht: Gemeinsinn und Solidarität, Zusammenhalt und das Einstehen füreinander sind Werte, die unsere Gemeinschaft tragen. Ich bin überzeugt: Gemeinsam und mit Gottes Hilfe werden wir auch die schwierigen nächsten Wochen durchstehen und bewältigen. 

Bleiben Sie behütet und gesund! 
Ihr 
Claus Jacobi 
Bürgermeister