Sonntag, 26. April 2020

Gevelsberger Nachbarschaft lässt allabendlich musikalisch den Mond aufgehen


In Zeiten, in denen das Corona-Virus den Alltag völlig aushebelt hat, setzte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Zeichen, um sich gegenseitig Mut zu machen.
Unter #Balkonsingen rief man in den sozialen Medien dazu auf, jeden Tag gemeinsam um 19:00 Uhr auf dem Balkon oder im Garten „Der Mond ist aufgegangen" zu singen. Eine Aktion die auch bei der ehemaligen Reformationsbotschafterin und einstigen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann großen Anklang fand. Denn sie sah in solch einer Aktion einen Hoffnungsschimmer und ein Signal der Solidarität, vor allem für diejenigen, die sich in Tagen von „Social Distancing" alleine fühlen. Diesen Aufruf las auch Christiane Offermann und er ließ in ihr rasch die Idee aufkeimen, solch musikalische Aktion auch innerhalb der Nachbarschaft in die Tat umzusetzen. 

Gemeinsam mit ihrem Mann An-dree, der im Po-saunenchor Haß-linghausen die er-ste Stimme spielt, und drei befreun-deten Nachbarn, allesamt Mitglieder der Fidelen Vogel-sanger 2.0, lässt man seit drei Wochen nun schon jeden Abend um 19:00 Uhr in der Ennepestraße musikalisch den Mond aufgehen. Die Herren entlocken ihren Trompeten die Töne und die Geschäftsstellenleiterin der SEG (Sportfreunde Eintracht Gevelsberg e.V. 1877 stellt ihr Gesangstalent unter Beweis.
„Alles geschieht natürlich unter Einhaltung der angeordneten Abstandsregeln“, erzählten die Offermanns und zeigten dabei auf die Markierungen, die mit Kreide auf dem Gehsteig gezeichnet wurden. 
Die Aktion der Gevelsberger Nachbarschaft hat sich mittlerweile rumgesprochen.
Sogar die Lokführer der Bahn zeigen sich jeden Abend solidarisch mit den Bewohnern der Ennepestraße. 
Kurz bevor sie an die Straßenmündung heranfahren, lassen sie bereits ihr Signal laut ertönen. 
Und zum Dank gibt es stets ein lautes Tröten der Musiker und freudiges Winken zurück. 

Singen und Musizieren in der Gemeinschaft stärkt und ermutigt; es zeigt, wie Bürger*innen in einer solchen Krisenzeit, die mit Überleben und Tod verbunden ist, zusammenstehen. Zwar auf räumlicher Distanz – auf einer Entfernung von mindestens 1,5 Metern im Freien oder am Fenster sowie auf dem Balkon – innerlich jedoch sehr eng verbunden. Insbesondere das Lied „Der Mond ist aufgegangen" erinnert daran, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern dass es ein Leben in aller Fülle gibt. Und die letzte Strophe des Abendliedes mit dem Text von Matthias Claudius aus dem Jahr 1779 bewegt besonders. Darin heißt es nämlich: „Verschon uns, Gott, mit Strafen und lass uns ruhig schlafen. Und unsern kranken Nachbarn auch!" 

Dem aber nicht genug, als Zugabe spielen die „En-nepe-Tröter“, wie man sich mittler-weile nennt, auch noch die „Ode an die Freude“ – das Finalwerk aus Beethovens 9. Symphonie, die Hymne Europas. Und, so verriet Christiane Offermann, in Kürze will man sogar auch noch das „Steigerlied“ anstimmen. 
Solch ein starker Zusammenhalt und solch eine Solidaritätsaktion verdienen jede Menge Applaus. Wie auch all jene Helden, die derzeit in Krankenhäusern und Pflegeheimen, im Sanitätsdienst oder im Supermarkt ohne Pause im Dauereinsatz sind. „Diesen symbolischen Beifall spenden wir hier bei uns in der Ennepestraße um 21:00 Uhr natürlich auch“, sagte Christiane Offermann abschließend. André Sicks