Mittwoch, 20. Oktober 2021

Gevelsberger Ausbildungspakt ist Markenzeichen für die Hauptschule

F
ür Hauptschüler*innen beginnt nach deren Schulzeit oftmals eine „Odyssee“ an Nachqualifizierungs- und Überbrückungs-maßnahmen.
Auch wenn viele von ihnen gute Abschlüsse erzielen, so sind ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt, im Gegensatz zu den Absolventen anderer weiterführender Schulen, in vielen Fällen deutlich geringer. Hinzu kommt, so sagte der gerade erst frisch im Amt bestätigte Schulleiter Jens-Uwe Arnemann, dass es vielen, ob wohl der Ausbildungsmarkt gut ist, „häufig an einem persönlichen Coaching fehlt, um für sich einen passgenauen Ausbildungsplatz zu finden“. 

In Gevelsberg hat man es sich daher vor 14 Jahren zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit knapp 60 heimischen Wirtschafts-unternehmen und der Gemeinschaftshauptschule, allen ausbil-dungswilligen und ausbildungsfähigen Schülern eine Perspek-tive zu bieten.
Und zwar mit dem Gevelsberger Ausbildungspakt. 
Mit ihm ver-pflichten sich die Neuntklässler bis zu ihrem Abschluss „pünktlich, ehrlich und fleißig“ zu sein, sie müssen in den wichtigen Schul-fächern mindestens die Note befriedigend erreichen und zu-sätzlich auch Sozialstunden absol-vieren. Im Gegenzug dazu erklä-ren sich die Kommune und die beteiligten Unternehmen bereit, den Unterzeichnern ein Ausbildungsangebot zu unterbreiten. Sollten die Vereinbarungen von Seiten eines Schülers oder einer Schülerin nicht eingehalten werden, so erlischt seine / ihre Ausbildungsplatzgarantie. 
Für uns ist der Ausbildungspakt von großer Bedeutung, da ein starker Partner, nämlich die Stadt Gevelsberg, vertreten durch Bürgermeister Claus Jacobi, hinter uns steht“, erklärte Arnemann. Das gäbe den Schülerinnen und Schülern nicht nur eine entsprechende Wertschätzung, es sei zugleich auch ein Ansporn. „Kurz gesagt: Leistung gegen Leistung.“ Desweiteren, so fügte er hinzu, würden solche Verträge die Hauptschule gegenüber den potentiellen Arbeitgebern zweifels-ohne auch in ein anderes Licht stellen. 

Wetterbedingt konnten leider nur neun der insgesamt 19 Schüler*innen gemeinsam mit ihren Klassenlehrern an der feierlichen Übergabe der Verträge teilnehmen. 

Übergabe außer Haus 
Die alljährliche Übergabe der Verträge findet normalerweise im Ratssaal der Stadt Gevelsberg statt. In diesem Jahr wechselte man jedoch den Standort und richtete die Veranstaltung bei der AVU aus. Der heimische Energieversorger war 2020 dem Bündnis beigetreten und da bot es sich an, so berichtete Lena Dobrick vom städtischen Büro für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, das Ganze einmal direkt vor Ort bei einem Unternehmen über die Bühne gehen zu lassen. Als Energiedienstleister und Wasserversorger hat die AVU ihr Stammgebiet in sieben von neun Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises. Seit über 110 Jahren ist man eng verbunden mit den Städten, Unternehmen und den Menschen in der Region. Zurzeit, so sagte Personalleiter Frank Reiber, bildet die AVU-Gruppe 25 junge Menschen in den Berufen Elektroniker für Betriebstechnik, Anlagenmechaniker, Industriekaufleute, Kauf-leute für Dialogmarketing und Fachinformatiker*in sowie in einem praxisintegriertem FACT-Studium (Finance, Accounting, Controlling, Taxes) aus. 
Einer von ihnen ist der ehemalige Hauptschüler Florim Delija, der sich für den Beruf des Elektroniker für Betriebstechnik entschieden hat. Wer Lust auf Elektromobilität, IT-Heraus-forderungen und super Zukunftsperspektiven hätte, der sei hier genau richtig, rührte der junge Mann souverän die Werbetrommel.
„Ich lerne hier viel, bin Teil eines guten Teams und konnte von Anfang an sogar Verantwortung übernehmen.“ Die Schwer-punkte in seiner Berufssparte lägen in der Herstellung und Wartung von Freileitungen, Stationen und Hausanschlüssen sowie der Programmierung von Systemen und Sicherheitseinrichtungen. Zudem könne man sich als Azubi bei der AVU auf eine individuelle Betreuung durch die Ausbilder verlassen, fügte er ergänzend hinzu. „Doch egal für welchen Beruf Ihr euch entscheidet, am Ende sollte wichtig sein, dass Ihr Freude daran habt.“ Einen Beruf auszuüben, bei dem Unlust den Alltag bestimme, das würde man nicht lange durchhalten, mahnte er in Richtung der jungen Leute. 

Die Anzahl der Teilnehmer*innen am Gevelsberger Ausbildungs-pakt hängt immer von der jeweiligen Klassenstärke und dem individuellen Plan der jungen Leute, wie es nach der Schule weitergehen soll, ab. „Diejenigen, die z. B. zu einer weiter-führenden Schule wollen, benötigen keine Ausbildungsgarantie und nehmen dementsprechend auch nicht am Ausbildungspakt teil“, erklärte Lena Dobrick und fügte hinzu, dass es in diesem Jahr insgesamt 19 Schüler*innen gewesen wären, die ihre Unterschrift unter den Vertrag setzten. 
Neun von ihnen konnten das Dokument dann auch persönlich aus den Händen von Bürgermeister Claus Jacobi entgegen-nehmen, den anderen machte das nass-stürmische Wetter und seine verkehrstechnischen Folgen leider einen Strich durch die Rechnung. „Die Lehrer werden ihnen aber die Verträge in der Klasse übergeben“, versicherte Jens-Uwe Arnemann. Er appellierte noch einmal an seine Schützlinge, dass sie sich nicht nur auf die Unterschrift verlassen sollten, sie müssten dafür auch wirklich selbst etwas leisten. „Denn wie bei vielen Verträgen, so dürft Ihr auch hier das Kleingedruckte nicht überlesen.“ Ein Satz mit dem der Schulleiter noch einmal explizit auf das geforderte gute bis sehr gute Verhalten der Schüler*innen bezüglich deren Leistungsbereitschaft, Zuver-lässigkeit und Sorgfalt sowie Sozialverhalten aufmerksam machen wollte. 
Zum Abschluss der Veranstaltung gab es für jeden dann auch noch eine T-Shirt mit dem Logo des Gevelsberger Ausbildungs-paktes und Bürgermeister Claus Jacobi riet, sich „den Beruf zu suchen, der zu Euch passt und der Euch Spaß macht“. Denn als junger Mensch würde man darauf sein gesamtes Leben aufbauen. André Sicks