Montag, 24. Juni 2019

Altbacken geht nicht mehr – Kirchen müssen sich verändern


Alle, die meinten, theologische Vorträge oder Predigten seien eher langweilig und verstaubt, wurden am 15. und 16. Juni bei der fünften Auflage des Gevelsberger Glaubensfestivals G² eines besseren belehrt.
Anregend, spritzig, mitreißend, tiefgehend, nachdenklich – sind nur einige Adjektive, mit denen man diese Veranstaltung, welche von der Evangelische Kirchengemeinde – Pastor Daniel Jung, in Kooperation mit der Freien Evangelischen Gemeinde – Pastor Christian Lunkenheimer und der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde – Pastor Adrian Wild auf die Beine gestellt wurde, beschreiben könnte. 
G² das ist die Kurzfassung für „Glaube mal Gevelsberg“ und steht für ein Event das neue Impulse für den Glauben setzen will und das Ziel verfolgt, eine Kirche zu verkör-pern, die am Puls der Zeit steht, eine Kirche die leidenschaftlich ist und die Menschen, auch kirchendistanzierte, herausfordert. Gemeinsam hatte man dafür ein Programm erarbeitet, welches sich an zwei Tagen vorrangig mit der Frage beschäftigte: „Was muss Kirche tun, um zukunftsfähig zu sein?“ 

Trendwende muss her
Neben einem Auftritt von Hossa Talk“, die sich tiefgründig, witzig und hemmungslos ehrlich.mit der Gemeinde der Zukunft auseinandersetzten, einer Worship Night und einem abschließenden Gottesdienst am Sonntagmorgen, war es vor allem der Vortrag von Johannes Reimer (Theologische Hochschule Ewersbach) warum für ihn zukunftsfähige Kirche nicht anders kann als in der Gesellschaft präsent zu sein, der die Zuschauer im Zentrum für Kirche und Kultur aufhorchen ließ. 

Mit Spannung und großem Interesse lauschten die Besucher dem Vortrag von Johannes Reimer.

Der zunehmende Verfall der christlichen Kultur hat mitunter nun auch die großen Kirchen alarmiert. Es sind nicht nur Freikirchen, die nach einer Neuevangelisierung rufen, es sind vor allem die großen Landeskirchen, die Millionen ihrer Mitglieder verloren haben. Man habe es zwischenzeitlich verstanden, so Reimers, dass man sich den Themen Evangelisation und Gemeinde-aufbau annehmen müsse, wenn es diese in der näheren Zukunft überhaupt noch geben soll. Es bedarf daher einer Erneuerung – einem sogenannten Makeover. Das erwachte Interesse der Kirchen für die Gesellschaft, in der der Glaube zur Randnotiz verkommen ist, müsse seiner Meinung nach, Hand in Hand mit der Wiederentdeckung der Ortsgemeinde als Voraussetzung für ein sinnvolles Engagement in der Kommune gehen. Die von Johannes Reimer vorgetragenen Impulse öffneten somit Tor und Tür zu einem kreativen Dialog. 

Tiefgängige Diskussion
In einer von Britta Lennart geleiteten Podiumsdiskussion (Gesprächspartner: Johannes Reimer, Benjamin Garske vom Rat der Stadt Gevelsberg, Adrian Wild, Christian Lunkenheimer und Daniel Jung) ging es zunächst einmal um den für Anfang 2020 geplanten Anschluss der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde an die Freie Evangelische Gemeinde und die damit verbunden Auswirkungen auf die Menschen sowie die Arbeit der beiden Institutionen. „Durch die größere Größe wird die Stimme in Gevelsberg lauter; gleichzeitig können wir mit unserem Angebot ein breiteres (Alters-)spektrum abdecken“ sagten die zuständigen Pastoren Wild und Lunkenheimer. 
Im nächsten Schritt ging es an die Analyse: Warum spielen die Kirchen keine große Rolle mehr? Warum gehen weniger Leute in die Kirchen? Hier wurde sehr deutlich, dass man stärker die Lebensräume bespielen müsse, wo die Menschen sind. „Darum können sich Kirchen auch nicht dem Internet verschließen, auch wenn sie da wenig erfolgreich sind“, so Christian Lunkenheimer. Denn auch das isei ein Grund, warum Kirchen immer weiter in die Irrelevanz abrutschen. Kirche konkurriert mit anderer Unterhaltung und auch mit Sinnangeboten. Diesbezüglich führt Daniel Jung an, dass selbst wenn an vielen Stellschrauben gedreht wird, aktuelle Themen wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit vorkommen, die Gottesdienste auch ansprechend, lustig und bewegend wären, trotzdem würden nicht viele in die Gotteshäuser kommen. Um sich glücklich zu fühlen, braucht man Gott nicht unbedingt. Worauf Johannes Reimer einwarf, dass der Glaube nicht nur dazu da sei, glücklich zu werden, sondern den Auftrag, gutes Leben zu ermöglichen, beinhalte. Gott kommt es auf die Welt an – die Kirche ist lediglich der Agent Gottes. 
Die Podiumsdis-kussion war ein guter Auftakt für ein Gespräch, das weitergehen muss. Und ein wichtiger nächster Schritt ist nun eine Sozial-raumanalyse, die die Theologische Hochschule Ewers-bach im Spätsommer 2019 in Gevelsberg durchführen wird. Dort wird es darum gehen, die Bedürfnisse und Ressourcen der Gevelsberger herauszufinden und Möglichkeiten aufzuzeigen, wo die Kirchen in den Diskurs gehen können. Dass sie etwas beizutragen haben, da war sich das Podium einig. Denn altbacken funktioniert nicht mehr. André Sicks