Mittwoch, 30. Juni 2021

Letztmalig köstliche Waffeln genießen - Liane Schlieper verlässt das Forsthaus, Nachfolge ist geregelt

Zahlreiche
Fotoalben liegen auf einem Tisch, dazwischen finden sich immer wieder vereinzelte Bilder die in Briefumschlägen stecken.
Akribisch sortiert Liane Schlieper all die bildlichen Erinnerungen, die sich im Laufe der Jahre bei ihr so angesammelt haben. „Irgendwann hat jeder ein Alter erreicht, wo man einfach auch nur mal an sich und seine Gesundheit denken muss“, sagt die Wirtin vom Neuen Forsthaus und lässt damit durchblicken, dass das Kapitel Forsthaus für sie demnächst geschlossen und ein neuer Lebensabschnitt beginnen wird. 
Ende September heißt es nämlich Abschiednehmen vom „Knusper-häuschen“ am Damwildgatter und der sich darin be-heimateten Gast-stätte. Abschied von jenem Ort im Stadtwald, an dem sie 53 Jahre lang glücklich lebte und wirkte. Ein Entschluss, der Liane Schlieper nicht gerade leicht fiel, sie dennoch glücklich nach vorne schauen lässt. „Ich werde dann mehr Zeit für meine Familie und Freunde haben“, sagt sie, da die oftmals zu kurz kamen. Bis es jedoch soweit ist, da wolle sie weiterhin den Kamin in der Gaststube anzünden und für ihre Gäste präsent sein. „Ich habe in all den Jahrzehnten nur angenehme Gäste gehabt. Und da wäre es nicht fair, wenn ich von jetzt auf gleich einfach so sang- und klanglos zumachen würden.“ 

Von der Bruchbude zum Schmuckstück 
Während Liane Schlieper so auf das ein oder andere Foto schaut, kommen immer wieder Geschichten zum Vorschein, die sie damit verbindet.
So berichtet sie, dass der Gevelsberger Verschönerungsverein um 1910/1911 das Neue Forsthaus im Kirchwinkeltal baute und man zugleich auch eine Gartenanlage schuf, ein Teich sowie eine Art Tierpark, das heutige Damwildgatter, angelegte. „Meine Schwiegereltern Adolf und Gerda zogen dann Mitte der 1960er Jahre hierher.“ Sie selbst wollte eigentlich niemals „in dieses von den ganzen Bäumen umgebene dunkle Loch“ ziehen. Doch wie so oft – meistens kommt es anders als gedacht. Nachdem ihre Schwiegermutter früh verstorben war, zog sie mit ihrem Mann Peter, in die damals recht verfallene Bude. Während sich der Gatte um sein Malergeschäft kümmerte, als Wildgatterbetreuer fungierte und zusätzlich noch die Renovierung des Forsthauses voran trieb, schlüpfte Liane Schlieper in die Rolle der Gastwirtin und wurde zum Gesicht der Gaststätte. 
Im Laufe der Jahre machte Peter Schlieper gemeinsam mit seinem Freund Ernst Ellerkmann ein echtes Schmuckstück aus dem Forsthaus. Eine beliebte Einkehrstätte für alle Wanderer und Spaziergänger. „Während die Männer draußen mit ihrem Werkzeug hantierten, half mir Ernst seine Frau Renate in der Gaststätte – und das über 40 Jahre lang“, erzählt die zweifache Mutter und vierfache Großmutter.
Dabei schweifen ihre Augen immer mal wieder zum Garten. Das dieser stets auf´s Neue so prachtvoll in Blüte steht, dass habe sie ihrem Bruder Udo zu verdanken, „ohne den ich es alleine nicht geschafft hätte“. 

Eine ereignisreiche Zeit 
Liane Schlieper erinnert sich auch an all die Treibjagden zurück, nach denen sich die Jäger bei ihr im Neuen Forsthaus stets getroffen haben. Oder an die Rauhaardackel-Zucht, die es einmal gab. Nicht zu vergessen die zahlreichen Treffen einiger heimischer Vereine, deren Mitglieder*innen in gemütlicher Runde so manchen Spießbraten grillten. Oder der Familientag und die Kastanienfeier vom Verschönerungsverein sowie die Waldjugendspiele der Zukunftsschmiede, die alljährlich „ihren festen Platz in meinem Terminkalender hatten“. Feierlicher Höhepunkt in all den Jahrzehnten war zweifelsohne die Doppelhochzeit ihrer Kinder Diana und Hanns-Peter am Kirmessamstag im Jahr 2000. 
Doch es gab auch traurige Momente, Momente der Stille, wie sie sagt. Elf Jahre später, am 11. Januar 2011 verstarb Peter Schlieper. „Für mich keine leichte Zeit“, drückt sie ihre Empfinden aus und gesteht, dass sie trotz Unterstützung ihrer Familie „schon überlegte, wie es weiter gehen soll“. Doch sie war stark und machte weiter, aufhören war keine Option. Umso glücklicher machte es sie, als der Verschönerungsverein, auf den Tag genau zwei Jahre später, im Eingangsbereich zum Kaminzimmer des Forsthauses einen Gedenkstein zu Ehren ihres Mannes enthüllte. Steinmetz Björn Wenning gestaltete diesen ungewöhnlichen Stein, Liane Schlieper stiftete dafür einen Hirsch aus Bronze, das gleiche Modell wie man es auch auf dem Grab „von meinem Peter“ findet. 

Endlich wieder geöffnet 
Berühmt wurde Liane Schlieper vor allem durch ihre selbstgebackenen Waffeln, das „heiße Pflaumentröpfchen“ und ihre prächtig funkelnde Dekoration in der Adventszeit. Diese sei bereits verpackt, sagt sie, und befände sich mittlerweile auch schon im Keller ihres neuen Domizils in der Rosendahler Straße. Alles andere würde jetzt so nach und nach ganz langsam verpackt und abtransportiert. Bis dahin freut sie sich aber, nach einer langer Durststrecke die Corona mit sich brachte, nun endlich wieder samstags von 15:00 bis 18:00 Uhr und sonntags von 11:00 bis 18:00 Uhr das Tor zum Forsthaus öffnen zu dürfen. „Auch wenn es nur für ein paar Monate ist, die Leute freuen sich, wie ich immer wieder aus Gesprächen entnehmen konnte.“ Und dies mache sie glücklich und erleichtere ihr auch den Gedanken an das bevorstehende Ende. 

Nachfolger steht schon fest 
Stellt sich abschließend natürlich die Frage: Wie geht es nun eigentlich weiter mit dem neuen Forsthaus? Auf Nachfrage beim Verschönerungsverein, verriet deren Vorsitzende Kirsten Niesler, das Liane Schlieper mit Wildgatterbetreuer Dirk Hucken-beck einen Premium-Nachfolger im Forsthaus bekommen würde und das Gebäude auch in Zukunft der Öffentlichkeit erhalten bliebe.
Mit welchen Angeboten, ob mit Café und/oder noch anderen Aktivitäten, das wollen der Vorstand und Dirk Huckenbeck in gemeinsamen Ge-sprächen noch entwickeln. „Beide Seiten haben wir dazu schon viele Ideen“, ließ sie durchblicken. Fest stehe jedoch, dass sich Dirk Huckenbeck wie auch der Vorstand des Verschönerungsvereins das Forst-haus und das Gehege nur im Miteinander mit den Gevelsbergern vorstellen können. Und auch der Familientag und die Kastanienfeier sollen im Forsthaus beheimatet blei-ben. „Vielleicht mag sich ja dann Liane Schlieper einmal verwöhnen lassen, wo sie genau dies so viele Jahrzehnte für ihre Gäste sowie den Verschönerungsverein und seine Freunde getan hat“ drückte Kirsten Niesler vorab schon einmal ihren Dank an eine Gevelsberger Institution aus. André Sicks