Zahlreiche
Fotoalben
liegen auf einem Tisch, dazwischen finden sich immer wieder
vereinzelte Bilder die in Briefumschlägen stecken.
Akribisch
sortiert Liane Schlieper all die bildlichen Erinnerungen, die sich im
Laufe der Jahre bei ihr so angesammelt haben. „Irgendwann hat jeder
ein Alter erreicht, wo man einfach auch nur mal an sich und seine
Gesundheit denken muss“, sagt die Wirtin vom Neuen Forsthaus und
lässt damit durchblicken, dass das Kapitel Forsthaus für sie
demnächst geschlossen und ein neuer Lebensabschnitt beginnen wird.
Ende
September heißt es nämlich Abschiednehmen vom „Knusper-häuschen“
am Damwildgatter und der sich darin be-heimateten Gast-stätte.
Abschied von jenem Ort im Stadtwald, an dem sie 53 Jahre lang
glücklich lebte und wirkte. Ein Entschluss, der Liane Schlieper
nicht gerade leicht fiel, sie dennoch glücklich nach vorne schauen
lässt. „Ich werde dann mehr Zeit für meine Familie und Freunde
haben“, sagt sie, da die oftmals zu kurz kamen. Bis es jedoch
soweit ist, da wolle sie weiterhin den Kamin in der Gaststube
anzünden und für ihre Gäste präsent sein. „Ich habe in all den
Jahrzehnten nur angenehme Gäste gehabt. Und da wäre es nicht fair,
wenn ich von jetzt auf gleich einfach so sang- und klanglos zumachen
würden.“
Von der Bruchbude zum Schmuckstück
Während
Liane Schlieper so auf das ein oder andere Foto schaut, kommen immer
wieder Geschichten zum Vorschein, die sie damit verbindet. So
berichtet sie, dass der Gevelsberger Verschönerungsverein um
1910/1911 das Neue Forsthaus im Kirchwinkeltal baute und man zugleich
auch eine Gartenanlage schuf, ein Teich sowie eine Art Tierpark, das
heutige Damwildgatter, angelegte. „Meine Schwiegereltern Adolf und
Gerda zogen dann Mitte der 1960er Jahre hierher.“ Sie selbst wollte
eigentlich niemals „in dieses von den ganzen Bäumen umgebene
dunkle Loch“ ziehen. Doch wie so oft – meistens kommt es anders
als gedacht. Nachdem ihre Schwiegermutter früh verstorben war, zog
sie mit ihrem Mann Peter, in die damals recht verfallene Bude.
Während sich der Gatte um sein Malergeschäft kümmerte, als
Wildgatterbetreuer fungierte und zusätzlich noch die Renovierung des
Forsthauses voran trieb, schlüpfte Liane Schlieper in die Rolle der
Gastwirtin und wurde zum Gesicht der Gaststätte.
Im
Laufe der Jahre machte Peter Schlieper gemeinsam mit seinem Freund
Ernst Ellerkmann ein echtes Schmuckstück aus dem Forsthaus. Eine
beliebte
Einkehrstätte für alle Wanderer und Spaziergänger. „Während die
Männer draußen mit ihrem Werkzeug hantierten, half mir Ernst seine
Frau Renate in der Gaststätte – und das über 40 Jahre lang“,
erzählt die zweifache Mutter und vierfache Großmutter. Dabei
schweifen ihre Augen immer mal wieder zum Garten. Das dieser stets
auf´s Neue so prachtvoll in Blüte steht, dass habe sie ihrem Bruder
Udo zu verdanken, „ohne den ich es alleine nicht geschafft hätte“.
Eine ereignisreiche Zeit
Liane
Schlieper erinnert sich auch an all die Treibjagden zurück, nach
denen sich die Jäger bei ihr im Neuen Forsthaus stets getroffen
haben. Oder an die Rauhaardackel-Zucht, die es einmal gab. Nicht zu
vergessen die zahlreichen Treffen einiger heimischer Vereine, deren
Mitglieder*innen in gemütlicher Runde so manchen Spießbraten
grillten. Oder der Familientag und die Kastanienfeier vom
Verschönerungsverein sowie die Waldjugendspiele der
Zukunftsschmiede, die alljährlich „ihren festen Platz in meinem
Terminkalender hatten“. Feierlicher Höhepunkt in all den
Jahrzehnten war zweifelsohne die Doppelhochzeit ihrer Kinder Diana
und Hanns-Peter am Kirmessamstag im Jahr 2000.
Doch
es gab auch traurige Momente, Momente der Stille, wie sie sagt. Elf
Jahre später, am 11. Januar 2011 verstarb Peter Schlieper. „Für
mich keine leichte Zeit“, drückt sie ihre Empfinden aus und
gesteht, dass sie trotz Unterstützung ihrer Familie „schon
überlegte, wie es weiter gehen soll“. Doch sie war stark und
machte weiter, aufhören war keine Option. Umso glücklicher machte
es sie, als der Verschönerungsverein, auf den Tag genau zwei Jahre
später, im Eingangsbereich zum Kaminzimmer des Forsthauses einen
Gedenkstein zu Ehren ihres Mannes enthüllte. Steinmetz Björn
Wenning gestaltete diesen ungewöhnlichen Stein, Liane Schlieper
stiftete dafür einen Hirsch aus Bronze, das gleiche Modell wie man
es auch auf dem Grab „von meinem Peter“ findet.
Endlich wieder geöffnet
Berühmt
wurde Liane Schlieper vor allem durch ihre selbstgebackenen Waffeln,
das „heiße Pflaumentröpfchen“ und ihre prächtig funkelnde
Dekoration in der Adventszeit. Diese sei bereits verpackt, sagt sie,
und befände sich mittlerweile auch schon im Keller ihres neuen
Domizils in der Rosendahler Straße. Alles andere würde jetzt so
nach und nach ganz langsam verpackt und abtransportiert. Bis dahin
freut sie sich aber, nach einer langer Durststrecke die Corona mit
sich brachte, nun endlich wieder samstags von 15:00 bis 18:00 Uhr und
sonntags von 11:00 bis 18:00 Uhr das Tor zum Forsthaus öffnen zu dürfen.
„Auch wenn es nur für ein paar Monate ist, die Leute freuen sich,
wie ich immer wieder aus Gesprächen entnehmen konnte.“ Und dies
mache sie glücklich und erleichtere ihr auch den Gedanken an das
bevorstehende Ende.
Nachfolger steht schon fest
Stellt
sich abschließend natürlich die Frage: Wie geht es nun eigentlich
weiter mit dem neuen Forsthaus? Auf Nachfrage beim
Verschönerungsverein, verriet deren Vorsitzende Kirsten Niesler, das
Liane Schlieper mit Wildgatterbetreuer Dirk Hucken-beck einen
Premium-Nachfolger im Forsthaus bekommen würde und das Gebäude auch
in Zukunft der Öffentlichkeit erhalten bliebe. Mit welchen
Angeboten, ob mit Café und/oder noch anderen Aktivitäten, das
wollen der Vorstand und Dirk Huckenbeck in gemeinsamen Ge-sprächen
noch entwickeln. „Beide Seiten haben wir dazu schon viele Ideen“,
ließ sie durchblicken. Fest stehe jedoch, dass sich Dirk Huckenbeck
wie auch der Vorstand des Verschönerungsvereins das Forst-haus und
das Gehege nur im Miteinander mit den Gevelsbergern vorstellen
können. Und auch der Familientag und die Kastanienfeier sollen im
Forsthaus beheimatet blei-ben. „Vielleicht mag sich ja dann Liane
Schlieper einmal verwöhnen lassen, wo sie genau dies so viele
Jahrzehnte für ihre Gäste sowie den Verschönerungsverein und seine
Freunde getan hat“ drückte Kirsten Niesler vorab schon einmal
ihren Dank an eine Gevelsberger Institution aus. André Sicks