Sonntag, 20. September 2020

Fair geht uns alle an! - Auftaktveranstaltung zur „Fairen Woche 2020“ beeindruckte ihre Besucher

Zahlreiche Besucher fanden am 15. September ihren Weg in den Park hinter der vhs Ennepe-Ruhr-Süd, um an der Auftaktveranstaltung zur „Fairen Woche 2020“ teilzunehmen.
Unter der Regie von Jürgen Nestmann haben dafür die Weltläden aus Gevelsberg und Ennepetal, gemeinsam mit der Volkshochschule und dem filmriss Kino, eine umfangreiche Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt, die sich mit 16 Veranstaltungen an eine breite Öffentlichkeit sowie an die Schulen vor Ort richtet. 
Das gesamte Projekt wurde im Bereich „Vielfalt gestalten“ angesiedelt, welches den Menschen ein diskriminierungsfreies Leben ermöglichen soll. „Es lehrt einen, Vielfalt als Chance zu begreifen, Widersprüche auszuhalten und fördert das Verständnis für Vielfalt und den Respekt sowie die Anerkennung der Unterschiedlichkeiten, aus denen die Menschheit besteht“, sagte Damian Stronczik von der Fach- und Koordinierungsstelle für „Demokratie leben!“.
„Dank der finanziellen Förderung seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“
konnte die politische Bildung an der vhs immer weiter ausgebaut werden und es konnten Veranstaltungen mit hochkarätigen Referenten zu aktuellen gesellschaft-lichen Themen umgesetzt werden, die für die vhs ansonsten nicht finanzierbar gewesen wären“, so die Fachbereichs-leiterin für politische Bildung, Iris Baeck. Schön wäre es, wenn sich noch mehr Vereine und Initiativen vor Ort in Kooperation mit der vhs Ennepe-Ruhr-Süd und der DIA gGmbH für Themen wie z.B. Demokratie und Vielfalt stark machen. Denn kulturelle Vielfalt ist für die Menschen genauso wichtig wie die biologische Vielfalt für die Natur. Und im Einklang mit der „Allgemeinen Erklärung zur kulturellen Vielfalt“, die die UNESCO 2001 verabschiedet hat, leisten die Veranstaltungen der „Fairen Woche“ daher auch ihren ganz speziellen Beitrag zur Verständigung, zur Integration und zur Menschlichkeit. 

Prägnante Grußworte zum Auftakt 
Gleich zu Beginn der Veranstaltung betonte Bürgermeister Claus Jacobi in seinem Grußwort, dass die „Faire Woche“ ein wichtiges Signal für alle beinhalte. Man solle mal hinterfragen, wie Konsum- und Produktionsmuster aussehen müssten, um möglichst vielen Menschen in Nord und Süd ein gutes Leben zu ermöglichen. Das heißt: faire Preise, Existenzen sichern und dem Naturverbrauch entlang von globalen Lieferketten einen Preis geben. Dies kann und muss jedoch von unten heraus geschehen, aus der Mitte der Gesellschaft. Ein jeder sollte nachhaltig und fair einkaufen. Denn man selbst bestimmt mit seinem Einkaufskorb, unter welchen Bedingungen die entsprechenden Produkte hergestellt werden. 

Im Anschluss erklärte Ennepetals Bürgermeisterin Imke Heymann den Entstehungsprozess ihrer Stadt zur Auszeichnung „Fairtrade Stadt“. Die Kriterien hierfür waren: ein offizieller Ratsbeschluss zur Beteiligung an der Kampagne, die Gründung einer Steuerungsgruppe zur Koordinierung der Aktivitäten, eine bestimmte Anzahl an Verkaufsstellen und Gastronomen, die faire Produkte anbieten, teilnehmende Vereine, Gemeinden und Schulen sowie mediale Bericht-erstattung über die Aktionen. „Wir müssen global denken und lokal handeln“, appellierte sie und forderte alle auf, Mut bei diesem Thema zu zeigen. Mut nicht nur bei sich selbst, Mut auch bei seinem Gegenüber. 

Fair gehandelte Produkte gibt es bekanntlich auch im Supermarkt. Was gut ist, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Darum stellen sich die meisten auch immer noch die Frage, warum man in einen Weltladen gehen sollte. Die Antwort darauf lieferte Angelika vom Bruch. „Weil Weltläden nicht nur fair gehandelte Produkte verkaufen wollen, sondern eine Vision von einer gerechteren Welt haben.“ Womit sie auch direkt überleitet zu Pfarrer Dietrich Weinbrenner, der den Parkbesuchern wichtige globale Fragen und mögliche Lösungswege aufzeigte. 

Wo beginnt Fair Play? 
Fast die gesamte deutsche Textilproduktion findet inzwischen in Billiglohnländern statt. Rund 60 Millionen Menschen sind in dieser Branche tätig und die meisten von ihnen arbeiten dabei unter katastrophalen Bedingungen. „Eine Textilarbeiterin, die in Sri Lanka für ein renommiertes deutsches Unternehmen arbeitet, erzählte mir, dass in ihrer Fabrik 16-Stunden-Schichten an der Tagesordnung sind, oft im Stehen.“ Bei Termindruck können die Schichten sogar schon einmal bis zu 24 Stunden dauern. Und all dies zu Hungerlöhnen. Die Arbeiter*innen haben meist keinen Vertrag und keine soziale Absicherung. Was den Konsumentinnen und Konsumenten letztlich egal ist; Hauptsache die Kleidung ist günstig zu erwerben. „Und wenn ein T-Shirt nur wenige Euro kostet, wird dieses nach kurzem Gebrauch weggeworfen und ein neues gekauft.“ Was zur Folge hat, dass der unwürdige Arbeitsmechanismus angeheizt wird. Zudem sei erwiesen, so schilderte der Beauftragte für Nachhaltige Textilien bei der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) und der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), dass auch die Kleidung von renommierten teuren Marken mittlerweile in denselben Fabriken gefertigt würde, die auch für Billigmarken produzieren, also unter denselben Bedingungen. In der globalisierten Wirtschaft ist somit also nicht alles Gold was glänzt; es gibt Gewinner und Verlierer, es geht um Profitmaximierung und Wachstum. Dabei bleiben allerdings die Arbeits- und Menschenrechte auf der Strecke. 
Es sei jedoch eine Chance, Textilien öko und fair einzukaufen, um dadurch sein eigenes Profil zu schärfen, erklärte Pfarrer Weinbrenner. Bei solchen Textilien würde man darauf achten, dass bei der Herstellung nachweislich Menschen- und Arbeitsrechte garantiert sind und dass die Umwelt geschützt wird. Dafür gibt es Siegel wie zum Beispiel das Fair Trade Siegel oder den GOTS – Standard. Wichtig sei aber auch, möglichst viel Bio-Baumwolle einzusetzen. „Ist ein Unternehmen Mitglied in der Fair Wear Foundation, werden die betreffenden Nähfabriken nach hohen Standards unabhängig und transparent überprüft.“ Inzwischen ist sogar deutlich, dass innerhalb der Gesellschaft das Bewusstsein für die Problematik der Textilproduktion steigt. „Kundinnen und Kunden wollen keine Kleidung auf der Haut tragen, in der Ausbeutung von Menschen steckt.“ Zum Abschluss seines Vortrages lud Pfarrer Dietrich Weinbrenner alle Besucherinnen und Besucher dazu ein, sich die Ausstellung „FIT FOR FAIR – Sport trifft Fairen Handel“ anzuschauen.
 
Sie wurde erarbeitet vom Entwick-lungspolitischen Informationszentrum Göttingen (EPIZ) und wirft die Fragen auf, ob Sport ohne Fair Play denkbar ist und ob bei der Produktion der Ausrüstung und Kleidung wirklich alles fair abläuft. Der Gedanke, dass Fair Play mit der Produktion und dem Konsum beginnt, führt wie ein roter Faden durch die Ausstellung hin zu vielfältigen Impulsen für ein Engage-ment für globale Gerechtigkeit im Sportverein. Die Besucher*innen durchlaufen die vier Themenmodule „Fair Play!“, „Rote Karte!“, „Trikot-Tausch!“ und „Spiel beginnt!“.
Die Module „Tipp-Kick!“ und „Tipps, Ideen + Visionen“ laden sie indes zum Mitmachen und zum Formulieren eigener Statements ein. Denn gerade in der Ver-bindung von Entscheidungsträ-ger*innen, Aktiven im Sport und Fairem Handel liegt ein großes Potenzial, um gemeinsam zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
André Sicks

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