Montag, 7. Oktober 2019

Demokratie braucht Demokraten - Programm der 12. „Aktionswoche für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt“ wurde vorgestellt

Selbstverständliche Tugenden wie Toleranz, Verständnis füreinander und Solidarität sind bundesweit innerhalb der Gesellschaft stark ins Wanken geraten.
Das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur zu bewahren und zu fördern, ist daher nicht nur eine wichtige Aufgabe der Politik, auch die Bürgerschaft ist diesbezüglich gefordert. Getragen von diesem Leitgedanken findet seit 2008 in Gevelsberg die „Aktionswoche für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt“ statt, welche gefördert wird vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Auch in diesem Jahr möchte das dafür zuständige Gevelsberger Aktionsbündnis wieder Zeichen setzen gegen jedwede Form von Gewalt und Rechtsextremismus und engagiert sich daher mit unterschiedlichen Veranstaltungen, die das weltoffene Verständnis der Bürgerschaft weiterhin stärken und Sorge dafür trägt, dass innerhalb von Gevelsberg alle Menschen gleich welcher Nationalität, Herkunft oder Religion friedvoll und ohne jede Diskriminierung zusammen leben können. 
In der vergangenen Woche wurde das Programm der 12.Aktionswoche vor-gestellt, die vom 04. bis 10. November veranstaltet wird und mit einer Bandbreite an Veranstaltungen für Bürger und Schulklassen aufwartet. In seinen Begrüßungsworten sagte Bürgermeister Claus Jacobi, dass die Aktionswoche im Laufe der letzten Jahre immer mehr an Schwung und Dynamik gewonnen habe. Was mitunter auch daran läge, dass sich mittlerweile auch die weiterführenden Schulen in das Bündnis mit eigenständigen Aktionen einbrächten. 

Programm für die Bürgerschaft 
Den Anfang macht am 4. November Mehmet Daimagüler, Opferanwalt der Nebenklage im NSU-Prozess. Mit einer Lesung aus seinem Buch „Empörung reicht nicht“ möchte er an alle appellieren, Demokratie nicht für selbstverständlich zu nehmen, sondern sie gegen Hass und Extremismus zu verteidigen. Im Rahmen dieser Lesung wird zudem dann auch die Fotoausstellung „4074 Tage – Tatorte der NSU-Morde“ der Fotografin Gabriele Reckhard in der VHS eröffnet. Bei dieser Ausstellung werden jene zehn Tatorte sichtbar, an denen rechtsradikale Täter des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zehn Menschen ermordet haben. 
Dr. Heiner Sasse wird am 6. No-vember sowohl die seelische Struktur wie auch ihre Entstehung durch Beziehungserfah-rungen genauer untersuchen. Das genauere „Wie“ und „Wozu“ des Beziehungsgeschehens wird dabei konkret dargestellt und in den Auswirkungen erläutert. Ziel des Abends soll sein, ein Verständnis von seelischer Struktur, Beziehungsdynamik und damit für seelische Gesundheit, seelische Erkrankung und damit auch für Gewaltbereitschaft oder für Empathie und Solidarität aufzubauen. 
Stammtischparolen kommen meistens plötzlich und unerwartet auf den Tisch. Viele fühlen sich davon überrumpelt, wollen reagieren, aber ihnen fällt nichts Passendes ein. Ein Argumentationstraining gegen solche Sprüche wie zum Beispiel „Asylanten sind Sozialschmarotzer“ soll daher am 8. November allen interessierten Bürgern vermitteln, wie Einmischung wirkungsvoll funktionieren kann, ohne dabei arrogant, moralisierend oder aggressiv aufzutreten. 
Auch das Städtische Jugend-zentrum beteiligt sich an der diesjährigen „Aktionswoche für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt“. Am 8. November wird im hauseigenen Café ein selbstproduzierte Film gezeigt, in dem Jugendliche unterschied-lichster Herkunft von ihrer aktuellen Lebenswelt berichten. Dabei sollen weniger die Unterschiede, als vielmehr die Gemeinsamkeiten im Mittelpunkt stehen und die verschiedenen Lebenswelten miteinander ver-binden. 
Am 9. November wird der exzellente und bekannte Berliner Jazzmusiker Janko Lauenberger an der Swing-Gitarre gemeinsam mit Bernd Huber an der Violine sein musikalisches Repertoire in einem Konzert im Bürgerzentrum der VHS darbieten. Beide sind Frontmusiker der Kultband „Sinti Swing Berlin“ und Gewinner des „Berliner Blues & Jazz Award“ von 2005. Darüber hinaus wird das Duo auch die Gedenkveranstaltung zum 81. Jahrestag der Novemberpogrome musikalisch begleiten, die am 10. November am Mahnmal vor dem Rathaus stattfinden wird und bei der Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal, Literaturwissenschaftler und Mitglied der Unabhängigen Kommission Antiziganismus der Bundes-regierung, als Hauptredner fungiert. 
Janko Lauenbergers Urgroß-cousine war im übrigen Unku, bekannt aus dem Jugendroman „Ede und Unku“, der in der einstigen DDR Pflichtlektüre an den Schulen war und die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Jungen Ede und dem Zigeunermädchen Unku (sie wurde 1944 von den Nazis in Auschwitz ermordet) erzählt. Als ein Zeitbild der späten 20er Jahre in Berlin und in Verbindung zu den Auftritten von Janko Lauenberger zeigt das filmriss Kino am 10. November den Film „Als Unku Edes Freundin war“. Hierbei wird am Beispiel ihrer Annäherung gezeigt, wie Vorurteile ab- und Verständnis aufgebaut werden können. 
Auch die Stadtbücherei beteiligt sich wieder an der Aktionswoche und bietet interessierten Leserinnen und Lesern einen Büchertisch sowie eine Literaturliste rund um die Themengebiete Rechte Gewalt und Zivilcourage. Zudem besteht für alle Schulen die Möglichkeit, sich zur Thematik passende Vorlesekoffer auszuleihen. 

Programm für Schulklassen 
Wie schon in den Jahren zuvor, so wird es selbstverständlich auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Veranstaltungen für Schulklassen geben. Da wären unter anderem die Statt-Rundfahrt des antifaschi-stischen Arbeitskreises, ein Kinoseminar zum Propaganda-film „.Hitlerjunge Quex“, ein Jugendkulturprojekt des AWO Jugendmigrationsdienstes zum Thema „Antiziganismus“ sowie eine Begegnung mit den „Kindern des Widerstandes“ und die von der VVN-BdA zusammen mit anderen Organisationen herausgebrachte und aktualisierte Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“. 
Schülerinnen und Schüler der Städtischen Realschule Gevelsberg präsentieren ein Theaterstück zum Thema Zivilcourage und bearbeiten Stationen, um Grundschülern Verhaltens- und Handlungsmöglichkeiten für Situationen, die Zivilcourage verlangen, auf den Weg mit zu geben. Die Hauptschule wird die ganze Woche über einzelne Projektarbeiten zu den Themen Rassismus und Zivilcourage durchführen und am Städtischen Gymnasium wird eine „Schulausstellung über das Konzentrationslager Bergen-Belsen“ zu sehen sein. 
Wichtiger Hinweis zu der Gevelsberger Statt-Rundfahrt: Bürgerinnen und Bürger, die ebenfalls an der Teilnahme einer Statt-Rundfahrt interessiert sind, können sich gerne jederzeit unter der Rufnummer +49 (0) 23 32 7 71-1 12 im Büro des Bürgermeisters melden.

Programm nach der Aktionswoche 
Darüber hinaus wird es im Anschluss an die Aktionswoche am 17. November im filmriss Kino einen Auftritt „Der drei Rothemden“ geben und Firas Alshater – Autor, YouTuber, geflüchtet aus Syrien – berichtet am 9. Dezember in der Stadtbücherei über seine zahlreichen Erlebnisse und Begegnungen während seiner Reise quer durch Deutschland.
Zum Abschluss der Programmvor-stellung hob Bür-germeister Claus Jacobi noch ein-mal hervor, dass durch eine starke finanzielle Eigen-initiative der Bünd-nispartner, der Unterstützung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und vor allem dem unermüdlichen ehrenamtlichen Engagement der Beteiligten konnte auch die 12. Aktionswoche abwechslungsreich, vielfältig und für die Besucherinnen und Besucher kostenlos gestaltet werden. Denn Toleranz und Zivilcourage heißt: Hinsehen, Hinhören und Mitreden! André Sicks