Mittwoch, 13. November 2019

Klassentreffen nach 40 Jahren war Zeitreise und Familienfeier zugleich


Vierzig Jahre, und irgendwie war alles wie früher.
„So sieht man sich in alten Gemäuern wieder.“ „Wann bist du eigentlich dazugekommen?“ „Warst du schon immer so klein?“ Ein übermütiges Sprudeln, fast wie einst nach den großen Ferien herrschte kürzlich vor dem Eingang des ehemaligen Realgymnasiums in der Neustraße – der heutigen Geschäftsstelle der AWO Ennepe-Ruhr. 39 ehemalige Schüler*innen waren einer Einladung von Heide Kuscharski, Theo Buschhaus und Rolf Westermann gefolgt, um nun nach vier Jahrzehnten noch einmal in alte Erinnerungen zu schwelgen und um zu sehen, was eigentlich „aus unserer alten Penne“ geworden ist. 
Bedächtig schritten die ehemaligen Abiturienten die Stufen hinauf in Richtung Aula. Jenem Ort an denen sie 1979 ihre Zeugnisse erhielten. Jener Ort an denen sie aber auch während ihrer Schulzeit Theaterstücke aufführten, wie sich einige erinnerten. Hier erwartete sie bereits Gerhard Lützenbürger vom AWO-Ortsverein Gevelsberg, um den Besuchern einen kleinen, historischen Einblick in die Geschichte des Hauses zu gewähren. 

Ein Haus mit Geschichte
Bereits 1903 verwandelte sich das Gebäude in der Neustraße zu einer Schule, die Platz für 360 Schüler bot. 1923 lag die Schülerzahl allerdings schon bei über 500. 1931 wurde – auch aus wirtschaftlichen Gründen – die höhere Mädchenschule in Gevelsberg aufgelöst und die Schülerinnen wurden zum Teil nach einer Aufnahmeprüfung in das Reform-Realgymnasium aufgenommen. Im Verlauf des 2. Weltkrieges wurde der Schulbetrieb durch die Kriegsereignisse allerdings immer stärker belastet und kam gegen Ende des Krieges sogar völlig zum Erliegen. Nach der deutschen Kapitulation blieben daher alle Schulen auf Anordnung der alliierten Militärregierung zunächst geschlossen. Der Antrag auf Wiedereröffnung wurde dann im Oktober 1945 gestellt und der provisorische Unterrichtsbetrieb konnte schließlich am 1. Februar 1946 mit acht Unterrichtsabteilungen und neun Lehrkräften wieder aufgenommen werden. Von 1949 an bis zur Schließung, mit Umzug 1982 in das Schulzentrum West, wurde „ihre Schule als mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium“ betrieben, erzählte Gerhard Lützenbürger. „Heute beheimatet sie die Arbeiterwohlfahrt“ und stellt mit dem angrenzenden „Helmut-vom-Schemm-Zentrum“ sogar 46 seniorengerechte Wohnungen zur Verfügung. Das Gebäude wurde im Laufe der Jahre modernisiert, ist mit Aufzügen ausgestattet und stellt seinen Mietern Gesellschaftsräume zur Verfügung, um gesellige Nachmittage mit den Nachbarn und/oder mit Freunden zu verbringen. Und inmitten der Anlage befindet sich zudem ein kleiner Park; „der ehemaliger Schulhof“, welcher zum Verweilen oder zum Feiern mit der Mietergemeinschaft einlädt.
Nachdem die ehemaligen Abiturienten von Gerhard Lützenbürger einen kleinen Eindruck davon bekommen hatten, was mittlerweile aus ihrer alten Penne" geworden ist, 
ging es zur Besichtigung ins angrenzende 
„Helmut-vom-Schemm-Zentrum“. 
Auf dem Weg dorthin, warf der ein oder andere noch einen kurzen Blick auf den ehemaligen Schulhof.   

Einblick in Klausuren - gemütliches Beisammensein 
Es war für alle der Anfang einer spannende Zeitreise, die viel Gesprächsstoff lieferte, jedoch noch längst nicht zu Ende war. Denn als nächstes stand ein Besuch im Gevelsberger Stadtarchiv auf dem Programm. Hier hatte Archivar Detlef Raufelder für die ehemaligen Abiturienten schon einmal deren Abiklausuren zur Ansicht herausgelegt. Die Randbemerkung in roter Schrift ließen bei einigen Böses erahnen. „Es bleibt unerklärlich, wie der Prüfling auf diesen Gedanken kommt", wurde zum Beispiel in einer der 1979er-Abiturklausuren vermerkt. Und auch nach 40 Jahren konnte sich jene Person nicht mehr daran erinnern, wie sie eigentlich auf den angemarkerten Gedanken gekommen war. 
Im Gevelsberger Stadtarchiv empfing Archivar Detlef Raufelder die Teilnehmer des Klassentreffens. 
Er hatte schon einmal ihre damaligen Klausuren herausgesucht, bei deren Einsicht manch erstaunliche Bemerkungen und Randnotizen an den Tag kamen. 
Im Anschluss ging es schließlich ins Hotel-Restaurant „Am Vogelsang“, um dort bei einem gemütlichen Beisammensein über alte Geschichten und Erlebnisse gemeinsam zu lachen. Für die Organisatoren war es nicht nur eine große Freude, das Gudrun Bukies aus Bologna (Italien) und Annette Lüthi aus dem schweizerischen Meiringen die weite Anreise nach Gevelsberg auf sich genommen hatten, es freute sie auch, dass der ehemalige Biologielehrer Dr. Hans Feld und sein damaliger Kollege für Mathematik, Hermann Stübner, ihrer Einladung gefolgt waren. Gemeinsam verbrachte man einen lustigen Abend, sah sich alte Fotos und Filme aus der Schulzeit an. „Kaum einer konnte sich noch so wirklich erinnern“, berichtete Heide Kuscharski, „aber als dann der Italienfilm lief, fiel es vielen auf einmal wie Schuppen von den Augen“. 
Dieses Klassentreffen war alle eine Mischung aus Familienfeier und Zeitreise, aus Standortbestimmung und persönlicher Bilanz. Es katapultierte einen in seine eigene Vergangenheit zurück, bei dem die Weggefährten von einst als Spiegel fungierten. „Wir haben spontan beschlossen uns in fünf Jahren wiederzutreffen, um nicht noch einmal so einen langen Zeitraum verstreichen zu lassen“, sagten die drei Organisatoren abschließend. André Sicks