Vierzig
Jahre, und irgendwie war alles wie früher.
„So sieht man sich in
alten Gemäuern wieder.“ „Wann bist du eigentlich dazugekommen?“
„Warst du schon immer so klein?“ Ein übermütiges Sprudeln, fast
wie einst nach den großen Ferien herrschte kürzlich vor dem Eingang
des ehemaligen Realgymnasiums in der Neustraße – der heutigen
Geschäftsstelle der AWO Ennepe-Ruhr. 39 ehemalige Schüler*innen
waren einer Einladung von Heide Kuscharski, Theo
Buschhaus und Rolf Westermann
gefolgt,
um nun nach vier Jahrzehnten noch einmal in alte Erinnerungen zu
schwelgen und um zu sehen, was eigentlich „aus unserer alten Penne“
geworden ist.
Bedächtig
schritten die ehemaligen Abiturienten die Stufen hinauf in Richtung
Aula. Jenem Ort an denen sie 1979 ihre Zeugnisse erhielten. Jener Ort
an denen sie aber auch während ihrer Schulzeit Theaterstücke
aufführten, wie sich einige erinnerten. Hier erwartete sie bereits
Gerhard Lützenbürger vom AWO-Ortsverein Gevelsberg, um den
Besuchern einen kleinen, historischen Einblick in die Geschichte des
Hauses zu gewähren.
Ein Haus mit Geschichte
Bereits
1903 verwandelte sich das Gebäude in der Neustraße zu einer Schule,
die Platz für 360 Schüler bot. 1923 lag die Schülerzahl allerdings
schon bei über 500. 1931 wurde – auch aus wirtschaftlichen Gründen
– die höhere Mädchenschule in Gevelsberg aufgelöst und die
Schülerinnen wurden zum Teil nach einer Aufnahmeprüfung in das
Reform-Realgymnasium aufgenommen. Im
Verlauf des 2. Weltkrieges wurde der Schulbetrieb durch die
Kriegsereignisse allerdings immer stärker belastet und kam gegen
Ende des Krieges sogar völlig zum Erliegen. Nach der deutschen
Kapitulation blieben daher alle Schulen auf Anordnung der alliierten
Militärregierung zunächst geschlossen. Der Antrag auf
Wiedereröffnung wurde dann im Oktober 1945 gestellt und der
provisorische Unterrichtsbetrieb konnte schließlich am 1. Februar
1946 mit acht Unterrichtsabteilungen und neun Lehrkräften wieder
aufgenommen werden. Von
1949 an bis zur Schließung, mit Umzug 1982 in das Schulzentrum West,
wurde „ihre Schule als mathematisch-naturwissenschaftliches
Gymnasium“ betrieben, erzählte Gerhard Lützenbürger. „Heute
beheimatet sie die Arbeiterwohlfahrt“ und stellt mit dem
angrenzenden „Helmut-vom-Schemm-Zentrum“ sogar 46
seniorengerechte Wohnungen zur Verfügung. Das Gebäude wurde im
Laufe der Jahre modernisiert, ist mit Aufzügen ausgestattet und
stellt seinen Mietern Gesellschaftsräume zur Verfügung, um
gesellige Nachmittage mit den Nachbarn und/oder mit Freunden zu
verbringen. Und inmitten der
Anlage befindet sich zudem ein kleiner Park; „der ehemaliger
Schulhof“, welcher zum Verweilen oder zum Feiern mit der
Mietergemeinschaft einlädt.
Einblick in Klausuren - gemütliches Beisammensein
Nachdem die ehemaligen Abiturienten von Gerhard Lützenbürger einen kleinen Eindruck davon bekommen hatten, was mittlerweile aus ihrer „alten Penne" geworden ist,
ging es zur Besichtigung ins angrenzende
„Helmut-vom-Schemm-Zentrum“.
Auf dem Weg dorthin, warf der ein oder andere noch einen kurzen Blick auf den ehemaligen Schulhof.
Es
war für alle der Anfang einer spannende Zeitreise, die viel
Gesprächsstoff lieferte, jedoch noch längst nicht zu Ende war. Denn
als nächstes stand ein Besuch im Gevelsberger Stadtarchiv auf dem
Programm. Hier hatte Archivar Detlef Raufelder für die ehemaligen
Abiturienten schon einmal deren Abiklausuren zur Ansicht
herausgelegt. Die Randbemerkung in roter Schrift ließen bei einigen
Böses erahnen. „Es bleibt unerklärlich, wie der Prüfling auf
diesen Gedanken kommt", wurde zum Beispiel in einer der
1979er-Abiturklausuren vermerkt. Und auch nach 40 Jahren konnte sich
jene Person nicht mehr daran erinnern, wie sie eigentlich auf den
angemarkerten Gedanken gekommen war.
Im Gevelsberger Stadtarchiv empfing Archivar Detlef Raufelder die Teilnehmer des Klassentreffens.
Er hatte schon einmal ihre damaligen Klausuren herausgesucht, bei deren Einsicht manch erstaunliche Bemerkungen und Randnotizen an den Tag kamen.
Im
Anschluss ging es schließlich ins Hotel-Restaurant „Am Vogelsang“,
um dort bei einem gemütlichen Beisammensein über alte Geschichten
und Erlebnisse gemeinsam zu lachen. Für die Organisatoren war es
nicht nur eine große Freude, das Gudrun
Bukies
aus
Bologna (Italien) und Annette
Lüthi aus
dem schweizerischen Meiringen die weite Anreise nach Gevelsberg auf
sich genommen hatten, es freute sie auch, dass der ehemalige
Biologielehrer Dr. Hans
Feld
und sein damaliger Kollege für Mathematik, Hermann
Stübner,
ihrer Einladung gefolgt waren. Gemeinsam verbrachte man einen
lustigen Abend, sah sich alte Fotos und Filme aus der Schulzeit an.
„Kaum einer konnte sich noch so wirklich erinnern“, berichtete
Heide Kuscharski, „aber als dann der Italienfilm lief, fiel es
vielen auf einmal wie Schuppen von den Augen“.
Dieses
Klassentreffen war alle eine Mischung aus Familienfeier und
Zeitreise, aus Standortbestimmung und persönlicher Bilanz. Es
katapultierte einen in seine eigene Vergangenheit zurück, bei dem
die Weggefährten von einst als Spiegel fungierten. „Wir haben
spontan beschlossen uns in fünf Jahren wiederzutreffen, um nicht
noch einmal so einen langen Zeitraum verstreichen zu lassen“,
sagten die drei Organisatoren abschließend. André Sicks