Montag, 17. Juni 2024

Ein etwas anderer Kirmesabend

Keine zwei Wochen mehr,
bis in Gevelsberg die schrägste Kirmes Europas an den Start geht. Die Leute sind heiß darauf, es in der längsten Nacht des Jahres wieder so richtig krachen zu lassen. Und das Fieber in ihnen steigt, wie sich an der ausgelassenen Stimmung beim Kirmesabend in der bunt geschmückten Halle West erkennen ließ. 

Das für diesen Abend ausgewählte Programm, stieß im Vorfeld jedoch auf starke Kritik. Was an der Tatsache lag, dass es mit dem bekannten Comedian Ingo Appelt nur einen einzelnen Liveact gab. Als traditionelle Elemente blieben einzig und allein der Einzug der Standarten, die Ehrungen für eine 50-jährige aktive Teilnahme am Kirmesgeschehen sowie der Auftritt des Hammerschmieds und die Livemusik nach dem offiziellen Programm bestehen. Vor allem die Kirmesgruppen fühlten sich am Entscheidungs-prozess bezüglich solch einer Veränderung nicht mitgenommen; man sprach davon es hätte keine Kommunikation stattgefunden. Der Vorstand vom Gevelsberger Kirmesverein räumte bereits ein, nicht alles richtig gemacht zu habe und gemeinsam wolle man daraus lernen. Geplant sei ein offener Kirmes-Workshop, der am 13. Juli um 11:00 Uhr im „Wald-schlösschen“ stattfinden wird, bei dem „wir als Vorstand gemeinsam mit Vertretern der einzelnen Gruppen Vorschläge besprechen wolle, um das Konzept der Veranstaltung neu zu überdenken“, sagte der Vorstands-vorsitzende Markus Loetz.
 
Punkt 20:00 Uhr – die Hells Bells von AC/DC ertönten und die Standartenträger der Gevelsberger Kirmes-gruppen zogen in die Halle ein. Das Publi-kum stand, spendete Applaus und jubelte. Sind sie es doch, die alljährlich mit ihren Mitgliedern am Kir-messonntag einen Zug auf die Straße bringen, der das Publikum begeistert. Doch wie sieht es eigentlich zeitmäßig auf den Bauplätzen aus? Neugierig fragte Sascha Hilger bei den Vorsitzenden der Kirmesgruppen „Berge“ (Carsten Dietrich) und „Börkey“ (Ralf Gerke) nach und bekommt als Antwort das soweit alles im grünen Bereich läge. Was wiederum Markus Loetz veranlasste den Gruppen mitzuteilen, das der TÜV „bei seiner heutigen Rundreise“ allen Gruppen ein „Go“ für den 30. Juni erteilt hätte. 
Bevor Hammerschmied Lutz Kornowski das Wort ergriff und den rund 700 Zuschauern inklusive derer auf der Tribüne, von denen einige übrigens das erste Mal dabei waren, das Brauchtum Kirmes ein wenig erläuterte und den Schlachtruf „Rupp di Tupp“ einstudierte, wurden mit Alfred „Freddy“ Fiedler und Gustav Reichard zwei aktive Mitglieder der Kirmesgruppe „Dä vam Lusebrink“ für ihr 50-jähriges Mitwirken beim Kirmesgeschehen ausge-zeichnet. Aus gesundheitlichen Gründen konnten Roswitha Goetzke von der Kirmesgruppe „Mühlenhämmer“ und Karl-Erich Kalthoff (Kirmesgruppe „Börkey“) ihre Urkunden leider nicht entgegennehmen, „wir werden ihnen aber nach der Kirmes einen persönlichen Besuch abstatten“, versprach Loetzi.

Vor seinem Auftritt ließ sich Ingo Appelt schon einmal beim Einzug des Hammerschmieds als Fotograf vor der Bühne blicken. 

Wo sind sie hin, die guten Jahre? Alles geht den Bach runter! – Alle jammern, aber nur einer läuft in dieser Situation zur Höchstform auf und er übernahm für gut zwei Stunden das Steuer: Ingo Appelt! Der bekannte Kabarettist präsentierte sich als unerschrockenes Vorbild für jeden Wutbürger. „Ich bin eine alte Drecksau und bockig, weil alles verboten ist. Wollt Ihr politische Korrektheit oder wollt Ihr auf die Kacke hauen?“. Womit rasch klar wurde: Wo Ingo Appelt draufsteht, ist auch Ingo Appelt drin. Vollgedopt mit Ingosteron und einem „Hurra, uns geht’s schlecht!“ auf den Lippen, zog der Ritter des schonungslosen Humors los, dem allgemeinen Verdruss den Kopf abzuschlagen. „Einer muss es ja machen, hilft ja nix!“ Der böse Junge der Comedy war furchtlos wie eh und je und nahm beileibe kein Blatt vor den Mund. Deftig-rustikal tischte er zur abendlichen Stunde auf, für die meisten ein großes Vergnügen, für andere allerdings auch ein wenig schwer verdaulich. Kurz gesagt: Kein Programm für Zartbesaitete. Es ging richtig zur Sache, Klartext war angesagt. 
So waren unter anderem die Veganer, Vegetarier und Fruktarier Ziel seines Spots: „Die Fruktarier essen nur das, was vom Baum fällt. Ich sage denen dann, mein Krusten-braten ist vom Baum gefallen“, sagte er breit grinsend. Irgendwann kom-me es soweit, dass man draußen mit den Rauchern zusammen seine Bratwurst essen müsste, vermutete er und fügte polternd hinzu, dass es inzwischen sogar veganes Wasser gäbe. „Wer das trinkt, hat Corona verdient.“ Einer seiner Freunde, so sagte er, hätte neulich 14 Kilo verloren. „Ich habe sie gefunden.“ Und damit die „Plauze“ nicht auffiel, trug er ein glänzendes, schwarz-bedrucktes Jackett, das später in die Ecke gepfeffert wurde, „sch….egal“! 
Auch Politiker kamen nicht ungeschoren bei ihm davon. „Irre, alles kommt wieder.“ Mit Trump, so machte er deutlich, könnten sich die Amerikaner identifizieren, mit Obama und seiner Frau konnten sie es nicht, da diese „begabt und intelligent“ waren. Und auch die „Mutti unsere Angela Merkel“, die Vorläuferin von Olaf Scholz käme irgendwann wieder, da sie, wie der Kanzler während des Wahlkampfs, einfach nichts gesagt hätte. 16 Jahre lang habe sie auf dem Chefsessel in Berlin gesessen, ohne etwas zu sagen, außer „Wir schaffen das!“. Was, laut Appelt, der Osten mit den Worten kommentiert habe: „Was? Wir sollen arbeiten, das war so nicht abgemacht“ just in diesem Augenblick Appelt parodierte er symbolisch Angela Merkel und rief der Menge zu: „Raus aus der Flaute, geht nur mit der Raute.“ Im Laufe des Abends ließ Appelt Altkanzler Helmut Kohl, Til Schweiger, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg vor sich hin nuscheln, Hauptsache, man verstand kein Wort. 
Während seines Programms schlug Ingo Appelt stets dahin, wo es vor Lachen weh tut – nämlich aufs Zwerchfell. Der größte Teil des Publikums zeigte sich begeistert, auch an jenen Stellen, die hier ausgelassen wurden, da sie weit unter der Gürtellinie und des guten gesellschaftlichen Geschmacks lagen. 

Partymäßig bei Livemusik mit der bekannten Band „Flotter 4er“ und „DJ Romeo“ alias Jan Winning ließen die Organisatoren und Besucher den Kirmesabend ausklingen. Gute Stimmung und eine volle Tanzfläche waren dabei garantiert. Ein großes Dankeschön, so sagte ein strahlender und durchaus zufriedener Markus Loetz, müsse man abschließend noch der HSG aussprechen, die nicht nur zahlreiche Snacks zum Verzehr im Angebot hatten sondern an zwei Theken Höchstleistungen brachten, um die vielen durstigen Gäste den ganzen Abend mit Flüssigkeitsnachschub zu versorgen.                                                                                     André Sicks