bis in Gevelsberg die schrägste Kirmes Europas an
den Start geht. Die Leute sind heiß darauf, es in der längsten
Nacht des Jahres wieder so richtig krachen zu lassen. Und das Fieber
in ihnen steigt, wie sich an der ausgelassenen Stimmung beim
Kirmesabend in der bunt geschmückten Halle West erkennen ließ.
Das
für diesen Abend ausgewählte Programm, stieß im Vorfeld jedoch auf
starke Kritik. Was an der Tatsache lag, dass es mit dem bekannten
Comedian Ingo Appelt nur einen einzelnen Liveact gab. Als
traditionelle Elemente blieben einzig und allein der Einzug der
Standarten, die Ehrungen für eine 50-jährige aktive Teilnahme am
Kirmesgeschehen sowie der Auftritt des Hammerschmieds und die
Livemusik nach dem offiziellen Programm bestehen.
Vor
allem die Kirmesgruppen fühlten sich am Entscheidungs-prozess
bezüglich solch einer Veränderung nicht mitgenommen; man sprach
davon es hätte keine Kommunikation stattgefunden. Der Vorstand vom
Gevelsberger Kirmesverein räumte bereits ein, nicht alles richtig
gemacht zu habe und gemeinsam wolle man daraus lernen. Geplant sei
ein offener Kirmes-Workshop, der am 13. Juli um 11:00 Uhr im
„Wald-schlösschen“ stattfinden wird, bei dem „wir als Vorstand
gemeinsam mit Vertretern der einzelnen Gruppen Vorschläge besprechen
wolle, um das Konzept der Veranstaltung neu zu überdenken“, sagte
der Vorstands-vorsitzende Markus Loetz.
Punkt
20:00 Uhr – die Hells Bells von AC/DC ertönten und die
Standartenträger der Gevelsberger Kirmes-gruppen zogen in die Halle
ein. Das Publi-kum stand, spendete Applaus und jubelte. Sind sie es
doch, die alljährlich mit ihren Mitgliedern am Kir-messonntag einen
Zug auf die Straße bringen, der das Publikum begeistert. Doch wie
sieht es eigentlich zeitmäßig auf den Bauplätzen aus? Neugierig
fragte Sascha Hilger bei den Vorsitzenden der Kirmesgruppen „Berge“
(Carsten Dietrich) und „Börkey“ (Ralf Gerke) nach und bekommt
als Antwort das soweit alles im grünen Bereich läge. Was wiederum
Markus Loetz veranlasste den Gruppen mitzuteilen, das der TÜV „bei
seiner heutigen Rundreise“ allen Gruppen ein „Go“ für den 30.
Juni erteilt hätte. Bevor
Hammerschmied Lutz Kornowski das Wort ergriff und den rund 700
Zuschauern inklusive derer auf der Tribüne, von denen einige
übrigens das erste Mal dabei waren, das Brauchtum Kirmes ein wenig
erläuterte und den Schlachtruf „Rupp di Tupp“ einstudierte,
wurden mit Alfred „Freddy“ Fiedler und Gustav Reichard zwei
aktive Mitglieder der Kirmesgruppe „Dä vam Lusebrink“ für ihr
50-jähriges Mitwirken beim Kirmesgeschehen ausge-zeichnet. Aus
gesundheitlichen Gründen konnten Roswitha Goetzke von der
Kirmesgruppe „Mühlenhämmer“ und Karl-Erich Kalthoff
(Kirmesgruppe „Börkey“) ihre Urkunden leider nicht
entgegennehmen, „wir werden ihnen aber nach der Kirmes einen
persönlichen Besuch abstatten“, versprach Loetzi.
Vor seinem Auftritt ließ sich Ingo Appelt schon einmal beim Einzug des Hammerschmieds als Fotograf vor der Bühne blicken.
Wo
sind sie hin, die guten Jahre? Alles geht den Bach runter! – Alle
jammern, aber nur einer läuft in dieser Situation zur Höchstform
auf und er übernahm für gut zwei Stunden das Steuer: Ingo Appelt!
Der bekannte Kabarettist präsentierte sich als unerschrockenes
Vorbild für jeden Wutbürger. „Ich bin eine alte Drecksau und
bockig, weil alles verboten ist. Wollt Ihr politische Korrektheit
oder wollt Ihr auf die Kacke hauen?“. Womit rasch klar wurde: Wo
Ingo Appelt draufsteht, ist auch Ingo Appelt drin. Vollgedopt mit
Ingosteron und einem „Hurra, uns geht’s schlecht!“ auf den
Lippen, zog der Ritter des schonungslosen Humors los, dem allgemeinen
Verdruss den Kopf abzuschlagen. „Einer muss es ja machen, hilft ja
nix!“ Der böse Junge der Comedy war furchtlos wie eh und je und
nahm beileibe kein Blatt vor den Mund. Deftig-rustikal tischte er zur
abendlichen Stunde auf, für die meisten ein großes Vergnügen, für
andere allerdings auch ein wenig schwer verdaulich. Kurz gesagt: Kein
Programm für Zartbesaitete. Es ging richtig zur Sache, Klartext war
angesagt. So
waren unter anderem die Veganer, Vegetarier und Fruktarier Ziel
seines Spots: „Die Fruktarier essen nur das, was vom Baum fällt.
Ich sage denen dann, mein Krusten-braten ist vom Baum gefallen“,
sagte er breit grinsend. Irgendwann kom-me es soweit, dass man draußen
mit den Rauchern zusammen seine Bratwurst essen müsste, vermutete er
und fügte polternd hinzu, dass es inzwischen sogar veganes Wasser
gäbe. „Wer das trinkt, hat Corona verdient.“ Einer
seiner Freunde, so sagte er, hätte neulich 14 Kilo verloren. „Ich
habe sie gefunden.“ Und damit die „Plauze“ nicht auffiel, trug
er ein glänzendes, schwarz-bedrucktes Jackett, das später in die
Ecke gepfeffert wurde, „sch….egal“!
Auch
Politiker kamen nicht ungeschoren bei ihm davon. „Irre, alles kommt
wieder.“ Mit Trump, so machte er deutlich, könnten sich die
Amerikaner identifizieren, mit Obama und seiner Frau konnten sie es
nicht, da diese „begabt und intelligent“ waren. Und auch die
„Mutti unsere Angela Merkel“, die Vorläuferin von Olaf
Scholz käme
irgendwann wieder, da sie, wie der Kanzler während des Wahlkampfs,
einfach nichts gesagt hätte. 16 Jahre lang habe sie auf dem
Chefsessel in Berlin gesessen, ohne etwas zu sagen, außer „Wir
schaffen das!“. Was, laut Appelt, der Osten mit den Worten
kommentiert habe: „Was? Wir sollen arbeiten, das war so nicht
abgemacht“ just in diesem Augenblick Appelt parodierte er
symbolisch Angela Merkel und rief der Menge zu: „Raus aus der
Flaute, geht nur mit der Raute.“ Im
Laufe des Abends ließ Appelt Altkanzler Helmut Kohl, Til Schweiger,
Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg vor sich hin nuscheln,
Hauptsache, man verstand kein Wort. Während
seines Programms schlug Ingo Appelt stets dahin, wo es vor Lachen weh
tut – nämlich aufs Zwerchfell. Der größte Teil des Publikums
zeigte sich begeistert, auch an jenen Stellen, die hier ausgelassen
wurden, da sie weit unter der Gürtellinie und des guten
gesellschaftlichen Geschmacks lagen.
Partymäßig
bei Livemusik mit der bekannten
Band „Flotter 4er“ und „DJ Romeo“ alias Jan Winning
ließen die Organisatoren und Besucher den Kirmesabend ausklingen.
Gute Stimmung und eine volle Tanzfläche waren dabei garantiert. Ein
großes Dankeschön, so sagte ein strahlender und durchaus
zufriedener Markus Loetz, müsse man abschließend noch der HSG
aussprechen, die nicht nur zahlreiche Snacks zum Verzehr im Angebot
hatten sondern an zwei Theken Höchstleistungen brachten, um die
vielen durstigen Gäste den ganzen Abend mit Flüssigkeitsnachschub
zu versorgen. André Sicks