Die
Augen von Manuela
Lindner-Pawlik schweifen
durch ihren Laden, auf die Regale voller bunter Wollknäuel und
Stoffe.
Was folgt ist ein kurzer Blick hinaus in die Fußgängerzone.
„Das alles werde ich bald leider hinter mir lassen“, sagt sie ein
wenig betrübt. Nach sieben Jahren wird die Ennepetalerin, die in
Gevelsberg ihre unternehmerische Zukunft gefunden hatte, Ende Juli
ihr Geschäft aufgeben und den Schlüssel zu „Manu´s Handarbeiten“
in der Mittelstraße 11 ein letztes Mal herumdrehen. Man merkt es ihr
an,
dass dieser Entschluss kein leichter ist. Zu gerne, so fügt sie
hinzu, hätte auch sie noch mit 80 Jahren, wie einst ihre Vorgängerin
Helga Oesterling,
den
Kunden mit
ihrem unerschöpflichen Fachwissen im Geschäft zur Verfügung
gestanden. „Doch was kam war Corona und das versetzte mir den
Todesstoß.“
Eine
harte Aus-sage, die leider der Realität ent-spräche, erklärt sie. Da
der Lock-down und damit auch die Zunahme vieler Kunden am
Online-Shopping, bundesweit vielen kleineren eigentümergeführten
Läden das Genick gebrochen hätte. In der ersten Phase habe es eine
große solidarische Unterstützung gegeben; von der man in der
zweiten Phase kaum noch etwas merkte. Gerade der Januar und Februar
seien starke Monate was das Handarbeiten beträfe, so Lindner-Pawlik.
Doch ein Lockdown der letztendlich sogar bis Ende Mai dauerte, da
konnte sie einfach nicht mehr und musste wohl oder übel „die
Notbremse ziehen“. Vielleicht sei es aber auch ein Wink mit dem
Zaunpfahl, wie sie sagt, da neben den Sorgen um die berufliche
Existenz derzeit auch noch etwas Privates sehr viel von ihr
abverlangt. „Von daher ist der Abschiedsschmerz vom Geschäft ein
wenig gedämpft.“
Dabei
fing alles so gut an für die Frau, die ihr Hobby Handarbeit zum
Beruf machte. Durch Zufall erfuhr sie, dass es in Gevelsberg ein
Handarbeitengeschäft geben würde, dessen Inhaberin wohl mit dem
Gedanken spielen würde in den Ruhestand zu gehen. „Ein solch,
alteingesessenes Geschäft zu übernehmen, war schon immer mein
Traum. Also habe ich Frau Oesterling einfach mal spontan
angesprochen“, erzählt die 60-jährige, die zur damaligen Zeit
noch ein Patchwork- und Kreuzstichgeschäft in Wuppertal besaß und
Handarbeits-Kurse leitete. Die Gespräche der beiden Frauen trugen
Früchte und Helga Oesterling erklärte sich zu anfangs sogar dazu
bereit, auch weiterhin an dem einen oder anderen Tag für die
Kundschaft zur Verfügung zu stehen. Es sind nicht nur ortsansässige
Kundinnen die den traditionsreichen Ort aufsuchen, einige kommen
unter anderem auch aus
Hattingen oder Velbert. Und die Entscheidung von Manuela
Lindner-Pawlik
sich ausgerechnet für diesen Standort zu entscheiden, der sei ihr
sehr leicht gefallen. „Ich habe die Entwicklung von Gevelsberg als
Einkaufsstadt über viele Jahre beobachtet und bin begeistert über
das Ergebnis.“
Vor
sieben Jahren übernahm Manuela
Lindner-Pawlik
von Helga Oesterling das Handarbeitsgeschäft in der Gevelsberger
Fußgängerzone; Ende Juli wird es nun leider geschlossen.
Das
Wollgeschäft ist eine echte Gevelsberger Institution. „Ich besitze
den ersten Mietvertrag, der 1935 unterzeichnet wurde, und wo als
Standort die Adolf-Hitler-Straße 1 angegeben ist“, leitet die
Geschäftsinhaberin eine kleine historische Zeitreise ein. Es war
Charlotte Dittmar, die als erste in den Pavillon zog als dieser
fertiggestellt worden war und seitdem die Gevelsberger*innen mit
Wolle versorgt. Ende der 60er Jahre fing dort dann Helga Oesterling
an. Acht Jahre lang war sie bei Charlotte Dittmar (die übrigens
keinen Nachfolger hatte) angestellt, bevor sie 1977 das Geschäft
selbst übernahm. Über vier Jahrzehnte wirkte sie an dieser Stelle,
20 Jahre lang bot sie neben Wolle sogar auch Oberbekleidung für
Damen an. Und hatte Helga Oesterling einen Artikel mal nicht in ihrem
im Sortiment, dann wusste sie zumindest, wo es diesen vielleicht
geben könnte. Für viele war die Geschäftsfrau auf gewisse Art und
Weise auch ein lebender Einkaufsführer. Auch nachdem Manuela
Lindner-Pawlik
im April 2015 das Handarbeitsgeschäft in der Gevelsberger
Fußgängerzone übernommen hatte, lief es stets sehr gut. Sie
erweiterte das bestehende Sortiment sogar noch um Stoffe und Jerseys
und legte natürlich weiterhin großen Wert darauf, für ihre Kunden
ansprechbar zu sein und sie zu beraten. Auch jüngere
Handarbeitsbegeisterte versuchte sie vom Stricken zu überzeugen.
„Was in den meisten Fällen mit großem Erfolg klappte“, freut
sie sich. Beliebt waren dabei vor allem die Bobbel in den
Gevelsberger Farben, die sie extra hatte wickeln lassen und mit der
man seine Verbundenheit zur Stadt verstricken oder verhäkeln konnte.
Zudem sammelt sie seit 2016 immer wieder Stricksachen von ihrer
Kundschaft, die sie vor Einbruch des Winters dann dem Gevelsberger
Tafelladen und dem Drevermannstift spendet. „Neben Mützen, Socken
und Decken bekomme ich dafür Handschuhe, Schals und teilweise sogar
Pullover von meiner Kundschaft“, erzählt sie. Hinsichtlich der
bevorstehenden Schließung fügt sie diesbezüglich noch hinzu, dass
wenn jemand noch Sachspende habe, so möge er diese bitte in den
nächsten Wochen abgeben. „Dann kann ich alles noch zu den
Organisationen vorbeibringen.“
Seit
1935 existiert das Geschäft bereits in Gevelsberg und es ist mit
seiner riesigen Auswahl an Wolle und Stoffen eine echte Institution
in der Innenstadt und kaum wegzudenken.
Am
1. Juli begann nun der Räumungsverkauf bei „Manu´s
Handarbeiten“ und
auf alle Artikel wird es 20 bis 50% geben. Sollte noch jemand im
Besitz eines Gutscheins sein, dann möge er/sie diesen bitte noch
einlösen, sagt Manuela Lindner-Pawlik
in Richtung ihrer Kundschaft. Diesen möchte sie natürlich ein
großes Dankeschön für die jahrelange treue und Zufriedenheit
aussprechen. Ein großer Dank geht aber auch in Richtung ProCity und
seiner City-managerin Lena Becker. „Was sie und der Vorstand in
Zeiten der Lockdowns alles geleistet und für den Gevelsberger
Einzelhandel auf die Beine gestellt haben, da kann man nur den Hut
ziehen – das verdient großen Respekt.“
Wenn
sich Ende Juli die Türe schließt, dann, da ist sich die Frau der
Wolle und Stoffe sicher, werde sich irgendwo eine andere öffnen. Und
der Kreativität bleibe sie auch weiterhin treu. Ob handwerklich, als
Mitglied im Förderverein der Stadtbücherei Schwelm oder als
Autorin. Was sie sich wünsche, dass sei natürlich eine Nachfolgerin
oder einen Nachfolger zu finden. „Wer Interesse hat, der darf sich
gerne bei mir unter der Telefonnummer 0 23 32 / 1 38 08 melden.“
Denn wenn solch ein Traditionsgeschäft endgültig zu ist, sagt sie
abschließend, dann würde den Gevelsbergern ein solches
Kurzwarengeschäft, wie es seit über acht Jahrzehnten vor Ort
existierte, fehlen.
André Sicks