Montag, 19. Juli 2021

Wo es über Jahrzehnte lang Wolle gab ... - „Manu´s Handarbeiten“ schließt in Kürze die Türen

Die Augen von
Manuela Lindner-Pawlik schweifen durch ihren Laden, auf die Regale voller bunter Wollknäuel und Stoffe.
Was folgt ist ein kurzer Blick hinaus in die Fußgängerzone. „Das alles werde ich bald leider hinter mir lassen“, sagt sie ein wenig betrübt. Nach sieben Jahren wird die Ennepetalerin, die in Gevelsberg ihre unternehmerische Zukunft gefunden hatte, Ende Juli ihr Geschäft aufgeben und den Schlüssel zu „Manu´s Handarbeiten“ in der Mittelstraße 11 ein letztes Mal herumdrehen. Man merkt es ihr an, dass dieser Entschluss kein leichter ist. Zu gerne, so fügt sie hinzu, hätte auch sie noch mit 80 Jahren, wie einst ihre Vorgängerin Helga Oesterling, den Kunden mit ihrem unerschöpflichen Fachwissen im Geschäft zur Verfügung gestanden. „Doch was kam war Corona und das versetzte mir den Todesstoß.“ 
Eine harte Aus-sage, die leider der Realität ent-spräche, erklärt sie. Da der Lock-down und damit auch die Zunahme vieler Kunden am Online-Shopping, bundesweit vielen kleineren eigentümergeführten Läden das Genick gebrochen hätte. In der ersten Phase habe es eine große solidarische Unterstützung gegeben; von der man in der zweiten Phase kaum noch etwas merkte. Gerade der Januar und Februar seien starke Monate was das Handarbeiten beträfe, so Lindner-Pawlik. Doch ein Lockdown der letztendlich sogar bis Ende Mai dauerte, da konnte sie einfach nicht mehr und musste wohl oder übel „die Notbremse ziehen“. Vielleicht sei es aber auch ein Wink mit dem Zaunpfahl, wie sie sagt, da neben den Sorgen um die berufliche Existenz derzeit auch noch etwas Privates sehr viel von ihr abverlangt. „Von daher ist der Abschiedsschmerz vom Geschäft ein wenig gedämpft.“ 

Dabei fing alles so gut an für die Frau, die ihr Hobby Handarbeit zum Beruf machte. Durch Zufall erfuhr sie, dass es in Gevelsberg ein Handarbeitengeschäft geben würde, dessen Inhaberin wohl mit dem Gedanken spielen würde in den Ruhestand zu gehen. „Ein solch, alteingesessenes Geschäft zu übernehmen, war schon immer mein Traum. Also habe ich Frau Oesterling einfach mal spontan angesprochen“, erzählt die 60-jährige, die zur damaligen Zeit noch ein Patchwork- und Kreuzstichgeschäft in Wuppertal besaß und Handarbeits-Kurse leitete. Die Gespräche der beiden Frauen trugen Früchte und Helga Oesterling erklärte sich zu anfangs sogar dazu bereit, auch weiterhin an dem einen oder anderen Tag für die Kundschaft zur Verfügung zu stehen. Es sind nicht nur ortsansässige Kundinnen die den traditionsreichen Ort aufsuchen, einige kommen unter anderem auch aus Hattingen oder Velbert. Und die Entscheidung von Manuela Lindner-Pawlik sich ausgerechnet für diesen Standort zu entscheiden, der sei ihr sehr leicht gefallen. „Ich habe die Entwicklung von Gevelsberg als Einkaufsstadt über viele Jahre beobachtet und bin begeistert über das Ergebnis.“
 
Vor sieben Jahren übernahm Manuela Lindner-Pawlik von Helga Oesterling das Handarbeitsgeschäft in der Gevelsberger Fußgängerzone; Ende Juli wird es nun leider geschlossen. 

Das Wollgeschäft ist eine echte Gevelsberger Institution. „Ich besitze den ersten Mietvertrag, der 1935 unterzeichnet wurde, und wo als Standort die Adolf-Hitler-Straße 1 angegeben ist“, leitet die Geschäftsinhaberin eine kleine historische Zeitreise ein. Es war Charlotte Dittmar, die als erste in den Pavillon zog als dieser fertiggestellt worden war und seitdem die Gevelsberger*innen mit Wolle versorgt. Ende der 60er Jahre fing dort dann Helga Oesterling an. Acht Jahre lang war sie bei Charlotte Dittmar (die übrigens keinen Nachfolger hatte) angestellt, bevor sie 1977 das Geschäft selbst übernahm. Über vier Jahrzehnte wirkte sie an dieser Stelle, 20 Jahre lang bot sie neben Wolle sogar auch Oberbekleidung für Damen an. Und hatte Helga Oesterling einen Artikel mal nicht in ihrem im Sortiment, dann wusste sie zumindest, wo es diesen vielleicht geben könnte. Für viele war die Geschäftsfrau auf gewisse Art und Weise auch ein lebender Einkaufsführer. Auch nachdem Manuela Lindner-Pawlik im April 2015 das Handarbeitsgeschäft in der Gevelsberger Fußgängerzone übernommen hatte, lief es stets sehr gut. Sie erweiterte das bestehende Sortiment sogar noch um Stoffe und Jerseys und legte natürlich weiterhin großen Wert darauf, für ihre Kunden ansprechbar zu sein und sie zu beraten. Auch jüngere Handarbeitsbegeisterte versuchte sie vom Stricken zu überzeugen. „Was in den meisten Fällen mit großem Erfolg klappte“, freut sie sich. Beliebt waren dabei vor allem die Bobbel in den Gevelsberger Farben, die sie extra hatte wickeln lassen und mit der man seine Verbundenheit zur Stadt verstricken oder verhäkeln konnte. Zudem sammelt sie seit 2016 immer wieder Stricksachen von ihrer Kundschaft, die sie vor Einbruch des Winters dann dem Gevelsberger Tafelladen und dem Drevermannstift spendet. „Neben Mützen, Socken und Decken bekomme ich dafür Handschuhe, Schals und teilweise sogar Pullover von meiner Kundschaft“, erzählt sie. Hinsichtlich der bevorstehenden Schließung fügt sie diesbezüglich noch hinzu, dass wenn jemand noch Sachspende habe, so möge er diese bitte in den nächsten Wochen abgeben. „Dann kann ich alles noch zu den Organisationen vorbeibringen.“
 
Seit 1935 existiert das Geschäft bereits in Gevelsberg und es ist mit seiner riesigen Auswahl an Wolle und Stoffen eine echte Institution in der Innenstadt und kaum wegzudenken. 

Am 1. Juli begann nun der Räumungsverkauf bei „Manu´s Handarbeiten“ und auf alle Artikel wird es 20 bis 50% geben. Sollte noch jemand im Besitz eines Gutscheins sein, dann möge er/sie diesen bitte noch einlösen, sagt Manuela Lindner-Pawlik in Richtung ihrer Kundschaft. Diesen möchte sie natürlich ein großes Dankeschön für die jahrelange treue und Zufriedenheit aussprechen.
Ein großer Dank geht aber auch in Richtung ProCity und seiner City-managerin Lena Becker. „Was sie und der Vorstand in Zeiten der Lockdowns alles geleistet und für den Gevelsberger Einzelhandel auf die Beine gestellt haben, da kann man nur den Hut ziehen – das verdient großen Respekt.“ 
Wenn sich Ende Juli die Türe schließt, dann, da ist sich die Frau der Wolle und Stoffe sicher, werde sich irgendwo eine andere öffnen. Und der Kreativität bleibe sie auch weiterhin treu. Ob handwerklich, als Mitglied im Förderverein der Stadtbücherei Schwelm oder als Autorin. Was sie sich wünsche, dass sei natürlich eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden. „Wer Interesse hat, der darf sich gerne bei mir unter der Telefonnummer 0 23 32 / 1 38 08 melden.“ Denn wenn solch ein Traditionsgeschäft endgültig zu ist, sagt sie abschließend, dann würde den Gevelsbergern ein solches Kurzwarengeschäft, wie es seit über acht Jahrzehnten vor Ort existierte, fehlen. 
André Sicks