vom
Gevelsberger Kirmesverein am Ende seiner Rundreise über die
Bauplätze der einzelnen Kirmesgruppen: Zum einen hatte man sich viel
Kreatives einfallen lassen und dafür wieder mächtig ins Zeug
gelegt; zum anderen überzeugten die Darstellungen mit einem hohen
Niveau an Technik und in diesem Jahr ist die Themenvielfalt immens
groß.
Angefangen
von der Steinzeit, geht es beispielsweise in die goldenen 20er-Jahre,
zu den Anfängen des Gevelsberger Kirmeszugs, man taucht ab und
landete am Ende bei den Problemen im Hier und Jetzt. „Ich bin mit
hohen Erwartungen gekommen“, sagte der Vorsitzende vom
Bewertungs-ausschuss, Bürgermeister Claus Jacobi, und zeigte sich
begeistert, dass diese bei weitem übertroffen wurden. Zudem hätte
man sich nach der Pandemie immens steil nach oben gearbeitet. „Das
was wir heute schon zusehen bekamen, verspricht einen Zug der
Spitzenklasse.“ Gute
sieben Stunden dauerte die Rundreise, was der Tatsache geschuldet
war, dass sich die Bewerter die Darstellungen genau ansahen, in deren
Konstruktionen ein-tauchten und manch kleine Details unter die Lupe
nahmen. „Ein Wunsch, den die einzelnen Gruppen im Vorfeld geäußert
hätten“, kommentierte es der Geschäftsführer vom GKV, Dirk
Henning.
Die
erste Station lag in diesem Jahr nicht wie üblich bei der KG „Fidele
Vogelsanger“ (sie werden ohne Bewertung am Zug teilnehmen) sondern
bei der Kirmesgruppe „Berge“. Hier waren im wahrsten
Sinne des Wortes die Puppen los. Auf dem Bauplatz hatte man nämlich
die „Augsburger Puppenkiste“ mit Jim Knopf und Lukas dem
Lokomotivführer zu Gast. Das Lummerland der Kirmesfreunde hat alles,
was man sich nur wünschen kann: zwei Berge, ein Schloss und eine
Eisenbahnstrecke, auf der die Dampflokomotive Emma, mit einer lauten
Dampfpfeife und Glocke, ihre Runden dreht. Beobachtet wird das
Geschehen von König Alfons, dem Viertel-vor-Zwölften, der im
Schlafrock aus rotem Samt, mit Pantoffeln an den Füßen und seiner
Krone auf dem Kopf auf einem 4.50 Meter hohen Berggipfel residiert. Eine
gemischte Süs-sigkeiten-Tüte für Kin-der, ´ne Currywurst Pommes und
der le-gendäre Schrotti zäh-len zu den „Legenden
des Ruhrgebiets“. Bei der Kirmesgruppe „Sil-schede“ erstreckt
sich außerdem ein 5,70 Meter hoher Förder-turm in die Luft, der als
Zeitzeuge und Kulturgut ein Überbleibsel vergangener Tage dient. Ein
Koloss
in der Landschaft, der anmutig ist. Ihm zu Füßen hat sich ein
Büdchen angesiedelt, wo die
Kumpels nach einer erfolgreichen Schicht und die Fußballfans der
Traditionsmannschaften des Ruhrgebiets einkehren. Auf
dem Börkey führt ein Weg die dort lebenden Steinzeit-menschen zu
einem großen, aus Knochen gebautem Kirmestor, an dem der
Hammer-schmied auf alle war-tet. Eine große statt-liche Erscheinung mit
blauem Fell und ent-sprechendem Werk-zeug in der Hand. Gemeinsam mit
ihm erlebt man fünf tolle Tage und hat Spaß an der Freude. Hier
dreht sich unter anderem ein Karussell,
was einem mit jeder Runde das Gefühl vermittelt, vogelfrei – dem
Himmel ganz nahe – zu sein. Ein echter Hingucker ist das
aus Kunstfell erbaute 3,85 Meter hohe und ca. 4,5 Meter große
Mammut, was sich prächtig
mit
seinem
Reiter
präsentiert. Wenn das Zotteltier beim Kirmeszug durch die Straßen
stampft, dann wird es auch von Steinzeitmenschen beobachtet, die am
Fuße eines fünf Meter hohen und feuerspeienden Vulkans an ihrer
Feuerstelle einige kulinarische Köstlichkeiten zubereiten. „The
Great Schnell-mark“
ist
eine Bar die Zuversicht und Le-bensfreude versprüht, ganz so, wie man
es in den goldenen 20er
kannte.
Ausgelassen wird hier das Tanzbein geschwungen und man sitzt zum
Schlem-men an einer extra-vaganten Tafel zusam-men. Dem Anlass
entsprechend tragen die Damen glamouröse Cocktail- und
Fransenkleider mit glitzernden Perlen und Strass, lange Handschuhe
aus schimmernder Seide, ein auffälliges Make-up und pompösen
Schmuck. Die Herren haben sich in ihre Knickerbocker, Hosenträger,
Schiebermützen und Nadelstreifen geschmissen. Der
Kirmesgruppe „Mühlenhämmer“ geht es bei ihrem „Affen-theater“
einzig und allein um die grundle-gende Diskussion, wie man das
ehemalige Rupprechtgebäude zu-künftig vielleicht nut-zen könnte.
Hinter verschlossenen Türen wird diesbezüglich hef-tig diskutiert,
geplant und verhandelt. Denn es stellt sich die Frage, was passiert
eigentlich wenn die Fördermittel ausbleiben. Ein ca. 3,30 Meter
großer Affe kann sich das ganze Theater nicht mehr länger mit
anschauen. Für ihn steht fest, fehlende Gelder lassen sich nur durch
einen neu geschaffenen Erlebnispark namens „Affenhaus“
erwirtschaften. Artgerecht an 5,60 Meter hohen Klettermöglichkeiten
wie Bäumen, Schaukeln, Seile und einer Brücke sorgt dort das
fröhlichen Treiben der flippigen Tiere für jede Menge Spaß. Zur
großen rollenden XXL-Feierstunde „90
Jahre die Brumse“
steht
deren
3,80 Meter große Gründer „Kapi-tän Ingenol“ seemän-nisch
abgestützt auf einem Symbol seiner Mannschaft, um die Schar an
Gratulanten persönlich zu empfan-gen. Er erscheint,
so sagt der Vorsitzende Stefan Remmel, dem Betrachter noch nicht ganz
fertig. „Genau so wie das Werk der Brumse nach 90 Jahren längst
noch nicht fertig ist.“ Im
„Pier 7“ ist aber schon alles für die Gäste vorbereitet. Auf
sie warten kühlen Getränke – alles ein wenig überdimensioniert,
so
wie die immer wiederkehrende Herausforderung des Kirmeszuges. Und
auch die Geburtstagstorte – präsentiert sich als ein
konditorisches „großartiges“ Meisterwerk. Einfach
mal raus aus dem tristen Alltag und rein ins Vergnügen. Genau das
sagt sich die Kirmegruppe „Aechter de Biecke“ und gönnt sich
eine Flugreise. Wohl oder übel muss man jedoch feststellen: „Flug
ok – Check-in oje!“.
Im
deutschen Luftverkehr geht mal wieder gar nichts. Lange Wartezeiten
und Menschenmassen vor der Gepäckabgabe und an den
Sicherheitsschleusen herrscht eine Ratlosigkeit soweit das Auge
reicht. Hinzu kommt, dass es Klima-Aktivisten wieder einmal gelungen
ist, auf der Start- und Landebahn zu protestieren und diese zu
blockieren. Von all dem bekommt ein, bis dato noch unbekannter,
Prominente nichts mit, da ihn ein VIP-Shuttle Bus sicher und gekonnt
zum Airport bringt. Aus
der eher sanftmü-tigen Ennepe ist ein aufgebrachter Strom geworden.
Der Grund für solch heftigen Wel-lengang ist ein Wal, der sich
verirrt hat und nun voller Verzweif-lung versucht, irgend-wie einen Weg
ins offene Meer zurück zu finden. Was letztlich jedoch dazu führt,
dass die rüstigen Senioren bei ihrer alltäglichen Wasser-gymnastik
ins Schwanken kommen und das Säugetier auch noch ein Ruderboot mit
zwei Anglern attackiert. Eine Situation, die die Hippendorf-Besatzung
eines Forschungs-U-Bootes akribisch beobachtet. Eigentlich war man
nur abgetaucht, um den vorhandenen Lebewesen- und Fischbestand der
Ennepe zu dokumentieren. Bei
der Kirmesgruppe „Vie vam Kopp“ zieht es die junge Alice ins
Wunderland, wo sie auf eine sich bewe-gende, vom Nebel um-hüllte,
überdimensio-nale blaue Raupe namens Absolem trifft. Diese weist
darauf hin, wie man mit etwaigen Schwierigkeiten fertig werden kann,
die hier auf einen warten. An einem großen Tisch mit Stühlen lassen
es die Wunderland-Bewohner so richtig krachen. Kein Wunder, dass bei
solch ausgelassener Stimmung der ein oder andere auch mal auf dem
Tisch das Tanzbein schwingt. Beeindruckt von all diesen skurrilen
Erlebnissen steht Alice wenig später vor einem rund fünf Meter
hohen Baum, zwischen dessen originalgetreuen Ästen eine bewegliche
Grinse-katze herausschaut. Ein echtes „Highlight“ sind die sich
hin und her bewegenden Spielkarten, die von unterschiedlicher Größe
und an einer selbst konzipierten drei Meter langen Kurbelwelle –
angetrieben durch Motoren – befestigt sind. „Ein technisches
Meisterstück“, wie die Bewerter lobend feststellten. Die Karten
geben im übrigen den Blick auf ein geteiltes, sich drehendes Schloss
frei, wo die weiße und rote Königin in luftiger Höhe streiten, wer
von ihnen die Schönere ist. Die
schwungvolle Ver-filmung des erfolgrei-chen ABBA-Musicals begeisterte
die Kir-mesgruppe „Im Dör-nen“ und man ent-schied sich dafür, mit
„Mamma Mia!“ in die-sem Jahr das Publi-kum entlang der
Kir-meszugstrecke bei gu-ter Laune in eine generationenübergreifende
Story von Familie und wahrer Liebe eintauchen zu lassen. Frisch,
fromm, fröhlich, frei feiern alle in einer griechischen Taverne, die
im blau-weißen Ambiente des Landes getaucht ist, von deren Balkon
man auf´s Meer blicken kann und vor der ein Brunnen sprudelt,
welcher sich sein Wasser aus zwei 1.000 Liter Tanks zieht. Eigens für
diese Party hat Donna ihre zwei besten Freundinnen Rosie und Tanya
eingeladen, mit denen sie früher als „Donna and the Dynamos“
aufgetreten ist. Noch einmal schlüpft das Trio in seine glitzernden
Outfits, in die irrsinnig weiten Schlaghosen mit üppigen Volants aus
schimmernden Satin und den Plateaustiefel, um damit als „Dancing
Queen“ das „Super Trouper“ bunte Treiben einzuläuten. Auf´s Fahrrad schwin-gen und raus in die Natur. So denkt die Kirmesgruppe „Dä vam Lusebrink“ und radelt entspannt durch
die Landschaft. Doch dann erreicht man die 2,80 m hohe Brücke, die
zwischen dem Bahnhof Gevelsberg-West und Silschede liegt und
über die Haßlinghauser Straße führt. Was die Luse hier zu
sehen bekommt, ist nichts außer eine Baustelle ohne Leben. Etwaige
Bagger oder Bauarbeiter – Fehlanzeige. Der Asphalt auf der Brücke
ist zwar schon gegossen und es wurden auch bereits vorläufige
Geländer angebracht, ansonsten allerdings präsentiert sich ihnen
der Fahrradweg 2024
als
ein
ruhendes Projekt – und dies seit nunmehr sechs Jahren. Als wäre
diese Baustelle nicht schon ärgerlich genug, erleben die
Kirmesfreunden im weiteren Verlauf ihrer Fahrradtour noch ein
weiteres innerstädtisches Problem – den Realschule-Umbau.
Architekten und Handwerkern fehlt hierbei irgendwie der Durchblick.
Wirr laufen sie umher, schauen irritiert in Pläne und auf
Zeichnungen. Dabei wird es doch langsam einmal Zeit, dass die Gebäude
endlich im neuen Glanz erstrahlen.
Für
die Kirmesgruppen war diese Rundreise eine Art Generalprobe. Egal auf
welchen Bauplatz man auch kam, die Vorfreude ist riesig und die
Stimmung nähert sich ihrem absoluten Höhepunkt. Wer
letztlich ganz oben auf der Siegerliste steht, das wird sich erst
nach dem Kirmeszug zeigen. Zwar spielen die gesehenen Ideen und
Ausführungen eine wichtige Rolle, es kommt aber auch auf deren
Wirkung im Zug an. Alle Darbietungen – Wagen, Einzelgänger, Fuß-,
Kinder- und Frauengruppen – sind absolute Hingucker. Von daher
werden die Herren Bewerter bei ihrer Punktevergabe die Qual der Wahl
haben. Darüber
war sich auch Falk Ramme im Klaren. Der Chef der Feuerwehr hatte
erstmalig an der Rund-reise vom Bewertungsausschuss teilgenommen.
„Eine große Ehre und enorme Aufgabe“, wie er sagte. Er sprach
von einem kreativen Potenzial, auf das man in Gevelsberg stolz sein
dürfe. Mit Blick auf das oftmals schlechte Wetter, so fügte er
respektvoll hinzu, müsste man den Gruppen ein großes Lob dafür
aussprechen, was „sie so alles auf die Beine gestellt“ hätten.
„Insbesondere auch jenen, die durch die Unwetter gezwungen waren,
Beschädigtes wieder neu aufzubauen.“ In Richtung der Zuschauer da
rührte er abschließend noch kurz die Werbetrommel und versicherte,
dass es „ein wahnsinnig toller und unterhaltsamer Kirmeszug“
würde. Kurz gesagt: „Kommen Sie und überzeugen Sie sich selbst“. André Sicks